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Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Titel: Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine , Ursula Wulfekamp
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Familie, in die sie hineingeboren worden war, blieb das Haus freundlich und wohlwollend, schien zufrieden, seine Erinnerungen ruhen zu lassen, und freute sich darüber, so hatte sie manchmal das Gefühl, daß sie seine Geschichte in ihren Roman einarbeitete und die Legende vertrieb, indem sie einen Teil davon auf Papier festhielt.
    Manchmal, wenn sie die leichteren Arbeiten verrichtete, die sie noch tun durfte, blickte sie gelegentlich vom Kleidersortieren, vom Staubwischen oder Abwaschen auf und horchte angespannt, aber die Stimmen in ihrem Kopf gehörten alle zu ihrer Phantasie. Vielleicht waren die Gespenster verschwunden. Vielleicht hatte es sie nie gegeben.
    Einige Wochen später kam Gerald Andrews zu einem zweiten Besuch. Auf dem Rücksitz seines Wagens lag ein Berg Bücher. »Ich dachte, ich könnte sie Ihnen hierlassen. Ich brauche sie auch nicht so bald wieder; lassen Sie sich Zeit.« Leicht besorgt fuhr er fort: »Nächsten Monat muß ich ins Krankenhaus. Wenn ich herauskomme, kann ich dann meine Freunde hierherbringen? Ich möchte so gerne dabeisein, wenn sie das Gewölbe sehen.« Er lächelte verschwörerisch, und Joss sagte, sie freue sich darauf, ihn wiederzusehen. Sie legte die Bücher hinter den Sessel. Luke würde nie merken, daß der Stapel ein wenig angewachsen war.
    Mehrere Tage ließ sie sie dort liegen, aber dann fiel ihr ein, daß sie in ihnen vielleicht Stoff für ihren Roman finden könnte. Also holte sie eins nach dem anderen hervor, wenn sie nicht gerade schrieb, und blätterte eifrig darin herum.
    Dort stand alles über das Haus, vor allem in den viktorianischen Führern über East Anglia: die Legenden, die Gerüchte, die Spukgeschichten. Seit Belheddon Hall gebaut worden war, hieß es, daß es dort nicht mit rechten Dinge zugehe.
    Der kurze, graue Februar ging in den März über. Mit Beginn des Frühlings war ihr Bauch endlich etwas rundlich geworden, als ob er das bemerkte. Draußen an den Weiden hingen goldene Kätzchen, in den Hecken blühten die Haselsträucher. Die Schneeglöckchen und Primeln starben ab, und an ihrer Stelle erschienen
die Osterglocken. Unter Joss’ stetig wachsendem Manuskript lag ihr Stammbaum verborgen. Mittlerweile hatte sie die Daten von über einhundert Jahren eingetragen – Geburten, Hochzeiten, Tode. So viele Tode. Ihr Interesse daran war zwanghaft. Sie schob den Papierstapel beiseite und vertiefte sich wieder in Artikel über das Haus. Im Lauf der Zeit unternahm sie weniger Ausflüge, und wenn sie mit Schaufel und Besen durchs Haus ging, Stapel sauberer Wäsche zu den diversen Schränken und Kommoden trug oder in der Küche am Herd stand – allerdings seltener, weil sie Kochen mit ebenso großer Inbrust haßte, wie Lyn es liebte –, stellte sie fest, daß sie wieder auf Stimmen horchte.
    Sobald Lyn, Luke und Tom draußen unterwegs waren, stieg sie fast gegen ihren Willen immer wieder auf den Dachboden, ging langsam durch die leeren Räume und lauschte angestrengt. Aber sie hörte nur den Wind, der leise in den Giebeln raunte, und dann kehrte sie mit einem Seufzer wieder ins Schlafzimmer oder an den Schreibtisch zurück.
    Sie war verrückt, das wußte sie. Es war idiotisch, die Stimmen wieder hören zu wollen. Aber es waren die Stimmen ihrer kleinen Brüder, ihr einziger Kontakt zu einer Familie, die ausgelöscht war. Sie fing an, das Schreiben zu vernachlässigen, um ihre Theorie zu bestätigen, daß ihre intensive Beschäftigung mit dem Buch Georgie und Sammy vertrieben hatte. Aber ohne das Schreiben empfand sie eine innere Leere – dieser Gedanke verzerrte ihr Lächeln zu einem sarkastischen Grinsen, während sie sich über den rundlichen Bauch strich –, eine innere Leere, so daß sie sich frustriert und unausgefüllt fühlte.
    Luke bemerkte ihre Unruhe. »Lyn hat vorgeschlagen, mit Tom in den Zoo zu fahren«, meinte er eines Tages. »Seitdem wir hier sind, haben wir so wenig mit ihm unternommen. Sollen wir nicht einen richtigen Ausflug machen, wir alle zusammen? Dann kommst du mal wieder aus dem Haus.« Ihm war nicht entgangen, daß ihre Fahrten in die Umgebung ein Ende gefunden hatten.
    Sie fühlte, wie ihre Stimmung sich hob. »Das würde mir gefallen! Und Tom wird begeistert sein.«
    Sie einigten sich auf den kommenden Mittwoch, und langsam
begann Joss, sich auf den Ausflug zu freuen. Ihre ziellosen Besuche im Dachboden hörten auf, und gemeinsam mit Lyn bereitete sie Tom auf den Zoo vor, zeigte ihm Bilder von Elefanten, Löwen und Tigern und

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