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Der Fluch von Colonsay

Titel: Der Fluch von Colonsay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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Stimme, obwohl ihr das Herz bis zum Hals klopfte. »Ich habe ihn in Mrs Cunninghams Schlafzimmer gefunden, Sir. Unter der Ottomane. Kurz nachdem Mr Marling auf Colonsay zu Gast gewesen ist.«
    Nun hatte sie seine volle Aufmerksamkeit. Das Stirnrunzeln verstärkte sich, seine blauen Augen wurden stahlgrau wie die Bucht vor einem Sturm. »Ich verstehe«, sagte er. Ja, das tat er, das konnte sie sehen. Er wandte sich ab und starrte ins Feuer. Alice hielt den Atem an und wartete, doch er bewegte sich nicht.
    Was hatte sie erwartet? Zumindest einen Gefühlsausbruch, Wut und Schmerz. Sie hatte gehofft, er würde vielleicht die Treppe hinaufstürmen und seine Gattin zur Rede stellen, ihr liederliches Verhalten mit donnernder Stimme verdammen. Doch nichts davon. Er stand nur da, ruhig und reglos. Vielleicht, entschied Alice, war der Schmerz einfach zu groß, um sofort zur Tat zu schreiten.
    »Danke, Alice«, sagte er schließlich. Sie war entlassen. Mit einem Gefühl der Ernüchterung verließ sie das Zimmer.

19
    Am frühen Nachmittag machte sich Rosamund auf den Weg, um Mrs Gibbons und ihre Tochter Rae zu treffen. Sie hatte nachts schlecht geschlafen, war von eingebildeten und tatsächlichen Geräuschen hochgeschreckt worden. Außerdem gingen ihr ständig Mark und Gary sowie die Vergangenheit durch den Kopf. Morgens war sie dann erst spät aus dem Bett gekommen.
    Das Wetter hatte sich etwas gebessert, zumindest regnete es nicht. Der kalte Motor stotterte ein paarmal, als sie die Einfahrt hinunterfuhr. Sie war seit ihrer Ankunft in Colonsay nicht mehr mit dem Wagen gefahren. Rosamund schaute auf die Gräber, als sie am Friedhof vorbeikam. Keine alten Männer in roten Mänteln. Alles war friedlich.
    Rosamund steuerte ihr Ziel auf der Straße nach Geelong an. Vom in den 1960ern trocken gelegten Sumpf war in dem Neubaugebiet nichts mehr zu erkennen. Ein Ziegelhäuschen stand neben dem anderen, aufeinander folgende Reihen. Der Architekt hatte nicht besonders viel Einfallsreichtum an den Tag gelegt. Aber vielleicht hatte man in jenen Tagen Kreativität beim Hausbau noch für überflüssig gehalten.
    Das Haus der Gibbons befand sich in der zweiten Straße. Rosamund parkte davor und sah beim Aussteigen, wie sich die Gardinen bewegten. Ihre Absätze klapperten auf dem Betonweg zur Haustür. Sie drückte auf die Klingel, melodisches Geläut erklang. Greensleeves.
    »Mrs Markovic.« Rae sah jünger aus und nicht so selbstsicher wie damals an dem Tag, an dem sie in Colonsay mit Rosamund gesprochen hatte. Ihr Arm lag in einer Schlinge, die Finger ragten aus dem Gipsverband.
    »Rae, wie geht es Ihnen?«
    Rae entspannte sich ein wenig und wackelte mit den Fingern. »Besser. Frederick will, dass ich nächste Woche wieder arbeite. Leichte Sachen.«
    »In Colonsay?«
    Rae schien sich unbehaglich zu fühlen. »Weiß nicht, vielleicht.«
    »Ist das Mrs Markovic?« Die Stimme kam aus dem Inneren des Hauses. Rae blickte über die Schulter und antwortete: »Ja, Mama.«
    »Dann bitte sie doch herein.«
    Rae grinste. »Tut mir leid. Kommen Sie rein. Meine Mutter ist dort hinten.«
    Im Vergleich zu Colonsay fand Rosamund das Haus winzig und vollgestellt. Aber zumindest leckte das Dach nicht, und es war warm. Geister gab es bestimmt auch nicht. Mrs Gibbons hatte helle Augen, ihr dunkles Haar wurde schon grau. Sie saß auf einem Sofa neben der Elektroheizung. Ihr Lächeln war warm und freundlich.
    »Mrs Markovic, ich bin Sue Gibbons.«
    »Rosamund, bitte. Wie geht es Ihnen?« Sie blieb stehen und ließ sich mustern.
    »Mama!«, sagte Rae und zerrte einen bequemen Stuhl herbei. »Bitte, setzen Sie sich doch, Mrs Markovic. Mutter möchte Ihnen ein paar Sachen zeigen.«
    Die »paar Sachen« lagen auf dem gesamten Sofa und auf dem Boden verstreut. Rosamund wusste nicht, ob sie sich angesichts dessen, was vor ihr lag, freuen oder fürchten sollte.
    »Mrs Scott, also Kerry, sagte mir, Sie interessieren sich für die Dienstboten von Colonsay, wollten aber nicht gleich zur Historischen Gesellschaft gehen«, sagte Sue knapp. »Kann ich verstehen. Hochnäsige Wichtigtuer, diese Leute. Nun, ich habe da ein paar Sachen für Sie aufgetrieben, Rosamund.«
    »Das sehe ich. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Sue.«
    »Keine Ursache. Werden Sie und Ihr Mann in Colonsay bleiben? Es wäre einfach wunderbar, wenn dort wieder eine Familie wohnen würde. Obwohl, natürlich …«
    Sie brach ab und sah betreten aus. Rosamund war klar, dass sie die Zeitungen gelesen hatte.

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