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Der Fluch

Der Fluch

Titel: Der Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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Vergiss den Plan, irgendwann in den Himmel zu kommen, und lass einfach mich reden.«
    »Ach, Katie«, sage ich gutmütig und lehne mich zurück. Ich fühle, wie meine Anspannung fast verschwunden ist. »Wo sind die anderen?« Ich muss nicht erklären, wen ich meine. Normalerweise hängt Katie ständig mit David und Rob zusammen und ich habe mich schon bei dem Gedanken ertappt, dass ich auf sie eifersüchtig bin.
    Früher war David ein wirklicher Freund – einer, bei dem ich das Gefühl hatte, ein bisschen von meinem alten Ich an den Tag legen zu können. Aber das hat sich in der Zwischenzeit verändert. Wir sehen uns nur noch im Büro der Studienbetreuer, das wir uns teilen, und in ein paar Seminaren oder Vorlesungen. Überhaupt – seit Debbie und Benjamin nicht mehr da sind, habe ich das Gefühl, unsere Gruppe bricht auseinander.
    »Die beiden sind vermutlich noch im CD«, sagt Katie.
    Vermutlich. Die gesamten Semesterferien haben David und Robert sich im Computer Department oder in der Bibliothek vergraben. Und an den Wochenenden waren sie zusammen mit Katie und Tim Yellad im Tal unterwegs.
    Was mir meine Freunde über die Erlebnisse im Februar erzählt haben, als sie Benjamins Leben retten wollten, ist nicht die ganze Wahrheit. Das spüre ich genau. Irgendetwas ist ihnen dort draußen begegnet. Etwas, das ihre Fantasie noch immer beschäftigt. Aber die alten Geschichten interessieren mich nicht wirklich und deswegen frage ich nicht nach. All diese Gerüchte und Mythen, die sich um das Tal, die verschwundenen Studenten und die mysteriöse Vergangenheit ranken – die Schatten der Vergangenheit. Wozu ist es gut, sie zu erforschen? Im Vergessen liegt die Rettung – zumindest was mich betrifft.
    »Oh, Mann, dieses Mädchen starrt uns so was von an«, höre ich Katie sagen. »Der fallen gleich die Augen raus.«
    Ich kann nicht anders, ich sehe mich erneut nach Muriel um. Mir kommt es vor, als hätte sie damit gerechnet. Als hätte sie die ganze Zeit unverwandt ihren Blick auf meinen Rücken gerichtet, auf die Gelegenheit gewartet, mir für den Bruchteil einer Sekunde in die Augen sehen zu können und mir so eine Botschaft zu schicken, die ich nicht verstehe. Und tatsächlich sind ihre grünen Augen, die mich an die tiefsten Stellen im Lake Mirror erinnern, unverwandt auf mich gerichtet.
    Und irgendetwas passiert mit mir. Ich meine nicht das Gefühl, dass mich etwas Kaltes streift. Nein, für einen kurzen Augenblick scheinen meine Gedanken offen zu liegen. Für jedermann lesbar. Als hätte ich eine Leuchtschrift auf der Stirn, die signalisiert: Alle mal herschauen. Ich bin nicht diejenige, für die ihr mich haltet.
    Ich springe auf.
    »Soll ich dir noch was zu trinken mitbringen?«, frage ich.
    Katie sieht mich verwundert an.
    »Meinetwegen eine kalte Cola. Ich habe heute schon drei Liter Wasser getrunken. Wirklich gesund – nur fühlt sich meine Zunge irgendwie … fischig an.«
    An der Bar ist es rappelvoll. Freshmen und Seniors drängen sich in einem bunten Gemisch um die Theke, doch sie bringen die beiden Jungs dahinter nicht ins Schwitzen.
    Überall Gelächter und der Geräuschpegel der Musik steigt auf ein Niveau, dass ein Gehörschaden vorprogrammiert ist. Ich tauche in der Menge unter und gleich geht es mir wieder besser. Selbst als ich O’Connor und Sam Ivy auf zwei Barstühlen vor mir erkenne, bleibe ich gelassen. Die zwei sind dabei, die Cocktails ihrer Freunde in Alkohol zu verwandeln.
    »Zwei Cola, bitte«, rufe ich dem Barkeeper zu und ziehe damit erneut Sams Aufmerksamkeit auf mich.
    »He«, brüllt er plötzlich laut und wendet sich dem ganzen Raum zu. »Leute, hört mal alle her! Ihr liegt völlig falsch!« Er dreht mir sein rotes Gesicht zu. »Stimmt doch, Rosy-Rose. Die liegen völlig falsch, was?«
    »Womit?«
    »Du … bist nicht wirklich … lesbisch.« Seine Zunge gehorcht ihm nicht.
    Leschbisch.
    Es ist offensichtlich, dass er nun total betrunken ist.
    »Und wenn?«, gebe ich zurück und fühle mich fast erleichtert. Die ideale Lösung. Vielleicht lassen sie mich dann in Ruhe.
    »Sag das nicht …« Sams Blick verdunkelt sich. »Ich kann Lesben nicht ausstehen, du, O’Connor?«
    Sein Freund schüttelt langsam den Kopf. »Nein, Les. . . Lesben haben keinen Platz … keinen Platz in der göttlichen Ordnung. Das … das ist meine Meinung.«
    Auch O’Connor ist so betrunken, dass er sich nur noch lallend verständigen kann. Er streckt mir die Flasche entgegen. »Willst du einen Schluck?« Dann

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