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Der Fluch

Der Fluch

Titel: Der Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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rülpst er und eine Wolke von vergorenem Alkohol schlägt mir an diesem Abend zum zweiten Mal ins Gesicht. Wieder überkommt mich Übelkeit. Seit damals kann ich diesen Geruch nicht ertragen. »Rosy-Rose, was für ein erbarmungswürdiges … Leben. Aber wenn du willst, führe ich dich aus dem Dunkel ins Licht. Versuchungen, Rosy, soll man nachgeben. Wer weiß, ob sie wiederkommen. Was, … wenn ich deine Versuchung bin, Rosy?«
    Er rutscht vom Barhocker und taumelt auf mich zu. Unwillkürlich strecke ich die Hände aus, um ihn davon abzuhalten, mir in die Arme zu fallen.
    »Fass sie nicht an!«, höre ich plötzlich eine Stimme.
    O’Connor dreht sich tatsächlich um.
    »Und das sagt wer?«, lallt er.
    »Ich.«
    Ich wende den Kopf.
    Vor mir steht dieser seltsame Junge aus der Vorlesung bei Professor Brandon. Selbst hier im Club trägt er seinen glatt gebügelten Anzug. Die weißen Manschetten seines Hemdes sind makellos. Die dunklen Haare – jedes einzelne, wo es hingehört. Er erinnert mich an eine Schaufensterpuppe. Schön, aber irgendwie leblos.
    »Und welche Existenzberechtigung hast du im Tal der Genies?« Das ist wieder O’Connor. Plötzlich wird es still um uns herum. Und wenn mich nicht alles täuscht, dreht der Barkeeper sogar die Musik leiser.
    »Du bist O’Connor, oder?«, fragt der Junge zurück.
    »Wen interessiert es?«
    »Du belästigst sie …« Der Zeigefinger des Fremden deutet auf mich: »Das interessiert mich.«
    »Hast du das gehört, Sam?« O’Connor dreht sich zu seinem Freund um.
    »Rose ist eine von uns.« Sam baut sich vor dem Jungen auf. Er ist mindestens einen Kopf größer und breit wie ein Schrank. »Sie ist so etwas wie unser Unterpfand für das Gute in der Welt. Und für Freshmen wie dich tabu.«
    Der Fremde achtet nicht auf seine Worte.
    »Hallo, Rose.«
    Er streckt mir die Hand entgegen und ich greife ganz automatisch zu.
    »Ich bin George. George Tudor. Erstes Studienjahr. Hauptfach Musik.«
    Er hält meine Hand fest, einige Sekunden zu lang. Seine Augen sind zwei blaue Lichtpunkte im Dämmerlicht der Bar.
    Die Atmosphäre ist gespannt. Ich habe das Gefühl, der ganze Raum starrt mich an. Was ich am wenigsten will, ist eingetroffen. Ich stehe im Fokus der Aufmerksamkeit. Im Mittelpunkt einer Auseinandersetzung.
    Katie ist aufgestanden und drängt sich zu mir durch und plötzlich ist auch Muriel wieder da. Ihre Augen kleben an meinen. Ein verwunderter Ausdruck liegt auf ihrem Gesicht und so etwas wie – Neugierde? Enttäuschung?
    Der Musikstudent fixiert mich noch immer. »Rose, ich möchte dich gerne zu einem Drink einladen.« Seine Stimme ist kühl.
    O’Connor lallt: »Rosy, du wirst doch nicht auf diesen Blender reinfallen?«
    »Was kann ich dir besorgen?« George lässt mich nicht eine Sekunde aus den Augen, als wolle er mich testen. »Vielleicht noch einen Schluck … Bourbon für deine Cola?«
    Ich keuche auf. Meine Hand schnellt unwillkürlich nach vorn und ich fege das Colaglas von der Theke, das der Barkeeper dort bereitgestellt hat.
    Man hört kein Klirren, vielleicht ist es heil geblieben, aber ich fühle mich, als ob tausend Glassplitter mich im Gesicht treffen.
    Und plötzlich weiß ich, dass ich dem Ganzen sofort ein Ende bereiten muss. Ich kann die Dinge nicht einfach geschehen lassen. Und schon gar nicht will ich mich schwach fühlen, hilflos, ausgeliefert. Nicht noch mal.
    »Ihr drei«, sage ich und weiß, dass meine Stimme falsch klingt, zu hoch und zu zittrig, aber Hauptsache, ich sage es. »Ian und Sam – und George. Vergesst es einfach. Ein für alle Mal. Verstanden?«
    Ich sehe gerade noch, wie George getroffen zurückweicht, dann mache ich auf dem Absatz kehrt.
    Die Menge grölt. »Abgeblitzt, abgeblitzt«, rufen ein paar Jungs und einige schrille Pfiffe ertönen.
    Ich hab fast die Tür erreicht, als mit einem hässlichen Geräusch die Musik abbricht und es dunkel wird. Stromausfälle im Tal suchen sich immer besonders dramatische Momente aus.
    »Tja, Rose«, sagt Sam in die plötzliche Stille hinein und nun klingt er völlig nüchtern. »Du hattest eine Chance. Und hast es vermasselt. So wie du aussiehst, bist du selbst schuld. Was ist, Rose – kannst du mit dieser Schuld leben?«

8. Rose
    Huntington Beach, Südkalifornien, zwei Jahre zuvor Irgendwie musste ich meine Schuld begleichen. Etwas ins Gleichgewicht bringen. Mich vor mir selbst schützen.
    Der undichte Wasserhahn tropfte und eine für März ungewöhnliche Hitze hing über der

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