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Der Fluch

Der Fluch

Titel: Der Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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lässt.
    Dennoch zittern meine Hände, als ich das Blatt abreiße. Die Buchstaben sind zunächst nur schwarze Flecken. Dann kristallisieren sich die Worte heraus und ich muss lachen, als ich sie entziffere.
    Es ist eine Nachricht von Katie.
    Einfach und völlig harmlos:
    Hi Rose,
sind on tour und kommen spätestens am Sonntag wieder zurück.
Katie, Robert, David, Tim
    Aber im zweiten Moment verfliegt das Gefühl der Erleichterung. Denn mir wird klar, was das bedeutet.
    Es ist kein Mensch im College, dem ich die Wahrheit sagen kann.
    Niemand.
    Ich fluche nicht. Ich gebrauche keine Worte wie Scheiße, verdammt, verflucht oder fuck. Das ist nicht meine Sprache. Ich bin auf Harmonie gepolt. Jeder sagt mir, das sei ein Fehler, und es klingt absurd, nach dem, was mir passiert ist, aber ich weiß, dass ich schon so geboren worden bin.
    Ich gehe nicht in mein Zimmer zurück, sondern laufe nach draußen und setze mich auf eine Bank ans Ufer des Lake Mirror. Die einsame Gestalt von vorhin ist verschwunden.
    Ich sehe auf die schimmernde Wasseroberfläche, die nun wieder ganz ruhig ist, schließe die Augen und lausche dem leisen Schlagen der Wellen.
    Mein Entschluss, die Wahrheit zu sagen, ist der Anfang. Und mit dem Wunsch nach einem anderen Anwalt habe ich den Kampf aufgenommen. Den Kampf mit mir, J. F., der Vergangenheit und das Wichtigste: der Kampf um die Zukunft.
    Fuck!

Dave Yellads Reisetagebuch
    Dead Valley, 05. Oktober 1908
Ich kann mir nicht erklären, woher der Hund gekommen ist. Er sieht nicht verwildert aus, auch gleicht er nicht den wolfsartigen Tieren der Indianer. Er weicht mir jedenfalls nicht von meiner Seite und erweist mir gute Dienste bei meinen Streifzügen durch das Tal. Wir nutzen die letzten Tage, bevor der Schnee kommt. Bei gutem Wetter brechen wir zu früher Stunde auf und kehren erst mit der Dämmerung wieder zurück. Der Hund scheint stets zu wissen, wo wir sind, und findet jederzeit den Weg zurück zu meinem Lagerplatz. Ich habe ihn Coyote getauft, nach der sagenumwobenen Gestalt und Gottheit, die in diesem Tal herrscht.
    Dead Valley, 10. Oktober 1908
Worauf ich so lange gewartet habe, ist eingetroffen. Auf meinen Streifzügen mit Coyote bin ich endlich auf die Pilze gestoßen. Wie die Cree berichteten, wachsen sie tatsächlich in den Höhlengängen, in die der Hund mich führte. Die Gänge reichten nicht weit in die Felsen hinein, wir mussten stets nach wenigen Metern wieder umkehren.
    Die besondere Eigenschaft der Pilze ist nicht zu übersehen. Sehen sie bei Licht betrachtet ganz gewöhnlich aus, entwickeln sie im Dunkeln einen goldenen Schimmer.
    Zurück im Zelt fertigte ich sofort eine Zeichnung an und gab dieser Spezies, über die ich noch nie etwas gehört habe, den botanischen Namen Psilocybe aurea .
    Dead Valley, 20. Oktober 1908
Unsicher ob ihrer Wirkung, und da mein Tabak langsam zur Neige geht, trocknete ich in den letzten Tagen die Pilze über dem Feuer und rauche sie nun in meiner Pfeife. Ihre Wirkung lässt sich mit nichts vergleichen. Es ist, als ob sich von Mal zu Mal mehr unbekannte Bereiche meines Bewusstseins öffnen. Allerdings beginne ich, meine Forschungen zu vernachlässigen. Vielleicht, weil sich das Tal meinen wissenschaftlichen Methoden entzieht, vielleicht, weil ich keine Erklärungen für die seltsamen Phänomene finde.
    Dead Valley, 31. Oktober 1908
Bin heute dazu übergegangen, einen der getrockneten Pilze zu essen. Sie haben einen leicht bitteren Geschmack. Gleich darauf fiel ich in einen Schlaf, der einer tiefen traumlosen Bewusstlosigkeit glich. Als ich erwachte, hatte sich etwas verändert. Obwohl keine Wolke am Himmel stand, war es dunkle Nacht. Keine Sterne waren zu sehen, kein Mond, der das Tal erhellte. Dennoch nahm ich vor dem Zelt einen seltsamen Lichtschimmer wahr. Im ersten Moment glaubte ich, dass jemand mit Fackeln an meinem Zelt vorbeiging. Doch ich konnte kein Geräusch hören. Dort draußen herrschte wie immer vollkommene Stille. Ich hörte nur meinen eigenen Atem.
    Aufgeregt kroch ich unter dem Fell hervor, schlug die Zeltplane zur Seite und blickte hinunter zum See.
    Es dauerte eine Weile, bis ich es begriff. Über der Mitte des Sees lag ein Lichtkreis. Je länger ich ihn anstarrte, desto deutlicher wurde das Muster. Es war, als ob sich der Vollmond im Wasser spiegelte, nur dass kein Mond am Himmel stand. Der Kreis bewegte sich zudem langsam und bildete konzentrische Kreise, die sich ebenfalls drehten.
    Ich verließ das Zelt und versuchte, das

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