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Der Fluch

Der Fluch

Titel: Der Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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Harvard! Einmal dort angenommen verlässt doch kein Mensch diese Uni! Außer, sie hat wie ich ein Kunststipendium am Grace erhalten? Und sie wollte nicht weiter Psychologie studieren?
    Mein Kopf sucht nach Erklärungen, nach einer Theorie, die alle anderen Gedanken und Befürchtungen durch Logik ersetzt. Und vielleicht hätte er diese Erklärung auch gefunden, wenn es nicht diese Botschaft gäbe, nicht dieses Gefühl, dass Muriel mich beobachtet, und die Tatsache, dass sie ohne Ausnahme dieselben Kurse belegt wie ich.
    Ich höre, wie Ike plötzlich zu knurren anfängt. Es ist ein Grollen aus ganz tiefer Kehle. Der Hund ist von Kopf bis Fuß angespannt.
    Ich vergesse Muriel und hämmere den nächsten Namen in die Tasten: George Tudor. Es dauert nur eine Sekunde und die Daten werden angezeigt.
    Hauptfach Musik.
    Nebenfach Psychologie.
    Herkunftsort: Boston.
    Adresse …
    Ich muss nicht zweimal schauen. Ich sehe es sofort und kann es trotzdem kaum glauben. George wohnt in derselben Straße wie J. F.

13. Rose
    Die Sonne steht schon tief über dem Lake Mirror. Es geht auf den Abend zu. Eine tiefe Ruhe liegt über dem Tal. Der Schnee auf dem Gipfel des Ghost schimmert hell. Heile Welt, obwohl für mich die Erde an diesem Freitagnachmittag zum Stillstand gekommen zu sein scheint.
    Ganz entfernt in Richtung Südufer entdecke ich eine einsame Gestalt auf einer Bank. Ich glaube, Muriels rote Haare zu erkennen. Ansonsten ist der Campus gähnend leer. Ike, der mit nach unten gekommen ist, schnüffelt hinter mir an einem Baum, dann trottet er davon.
    Ich schaue auf die silbrigblaue Oberfläche vor mir. Der Lake Mirror besitzt eine unglaubliche Anziehungskraft. Der See hat etwas Magisches. Als ob er mir Antworten gibt auf Fragen, die ich mir vorher nie gestellt habe.
    Und die Frage, die mich bewegt, ist ganz simpel: Was soll ich jetzt tun?
    Die Antwort: Du kannst nicht einfach den Kopf in den Sand stecken.
    Ich zwinge mich, an die Botschaft zu denken, die ich oben im Zimmer liegen gelassen habe, und daran, mit wie viel Panik ich reagiert habe. Und plötzlich erkenne ich meinen Fehler und ich weiß, wie mein nächster Schritt aussehen wird.
    Die Vergangenheit kann mir nur deswegen solche Angst einjagen, weil ich sie geheim halte. Aber irgendwann, das wusste ich immer, würde die Wahrheit an den Tag kommen.
    Ich muss also meine Geschichte erzählen, das ist der einzige Weg, dem Spuk ein Ende zu bereiten. Geheimnisse sind nicht dazu da, offengelegt zu werden, das ist bisher meine Ansicht gewesen. Aber es ist Zeit, meine Überzeugung zu ändern.
    Ich werde alles sagen. Ich werde nichts auslassen. Nicht einmal die Details, die ich mir selbst kaum eingestehen kann. Zum Beispiel, dass das, was passiert ist, auch meine Verantwortung war. Ja, es fühlt sich schrecklich an, aber es ist die Wahrheit. Ich hatte gehofft, J. F. würde auf mein Theater hereinfallen und Matt – Matt würde erkennen, was er an mir verloren hatte.
    All das werde ich zugeben.
    Es geht dabei nicht darum, dass jemand mich tröstet oder mich freispricht, sondern um etwas völlig anderes. Ich muss demjenigen, der mich bedroht, das Handwerk legen, seinem Treiben ein Ende setzen. Ich darf nicht zulassen, dass er mich zerstört. Und das kann ich nur, indem ich ihm die Munition entziehe.
    Ich gehe die Liste der Personen durch, denen ich vertraue. Es fällt mir schwer, mich für einen von ihnen zu entscheiden.
    Julia? Das wäre die einfachste Wahl. Doch Julia ist in Seattle und dort kann sie mir nicht helfen.
    Mom und Dad? Nein, auch die sind nicht vor Ort. Abgesehen davon würden sie die Gelegenheit nutzen, mich sofort von hier wegzuholen.
    David? Ja, der noch am ehesten.
    Ich spiele kurz mit dem Gedanken, Mrs Jones der Liste hinzuzufügen. Als Psychologin ist sie Spezialist für die Erforschung des Rätsels Mensch, zuständig für Geheimnisse. Verständnis ist ihr Job. So etwas wie ein moderner Beichtvater, dem man seine Sünden anvertraut und erleichtert nach Hause geht. So stelle ich mir das zumindest vor.
    Aber dann fällt mir ein, dass ich heimlich ihren Computer benutzt habe. Ich habe die Grenze des gegenseitigen Vertrauens überschritten. Ich kann ihr also nicht erzählen, was ich über George und Muriel herausgefunden habe.
    Also doch David.
    Ich denke daran, was er vor einigen Tagen im Büro der Studienbetreuer zu mir gesagt hat. Dass er immer noch für mich da ist.
    Aber David ist ein Mann. Andererseits ist er einer der wenigen Menschen, bei denen ich mich ohne

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