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Der Fluch

Der Fluch

Titel: Der Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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katapultierte.
    Mir war kalt, so entsetzlich kalt. Fröstelnd tastete ich nach einer Decke, doch ich fand keine. Als ich die Augen öffnete, war es dunkel um mich herum und ich hatte Schwierigkeiten, mich zu orientieren.
    Etwas war seltsam. Ich fühlte mich völlig benebelt, mein Mund war furchtbar trocken und ich konnte mich nicht rühren. Etwas in mir streikte einfach.
    Ich schloss meine Augen und versank wieder in der Dunkelheit.
    Als ich das nächste Mal aufwachte, war es schlimmer. Mein Kopf tat entsetzlich weh, mein Körper fühlte sich wund an. Ich fuhr mit der Zunge über meine aufgesprungenen Lippen und zwang mich, die Augen zu öffnen, um mich zu orientieren.
    Ich lag auf dem Polster eines Liegestuhls und draußen hörte ich es donnern. Regen prasselte auf das Dach.
    Mein Rock war bis zur Taille hochgeschoben, ich trug keinen Slip mehr. Das trägerlose Top war nach unten gerutscht. Ich lag eine Weile so da, ohne etwas zu begreifen, hörte meinen eigenen röchelnden Atem.
    Und nur eine Sekunde später lag ich auf den Knien draußen im Gras und übergab mich. Würgte alles heraus, was in mir war. Meine Arme und Beine fühlten sich an wie die einer Gummipuppe. Kalt und leblos. Und mein Verstand funktioniert immer noch nicht richtig. Jeder Gedanke wurde unendlich in die Länge gezogen.
    So saß ich im feuchten Gras. Die Villa hinter mir lag in völliger Dunkelheit. Über mir der Mond und die Sterne. Und ich hörte zu, wie ein leichter Wind über das Wasser des Swimmingpools strich.
    Erschöpft und verwirrt zog ich das Handy aus der Tasche. Es war fünf Uhr morgens. Die Party war vorüber und ich hatte keine Ahnung, was eigentlich passiert war. Je mehr ich versuchte, mich zu erinnern, desto klarer wurde mir: Ich wollte es eigentlich gar nicht wissen.

Dave Yellads Reisetagebuch
    Schottland, 11. Mai 1909
Es war Solomon Shanusk, der mich endlich in meinem Zelt fand. Fast erfroren und dem Tode nahe, brachte er mich zu seinen Leuten ins Lager, wo ich einige Wochen blieb, bevor ich in meine Heimat aufbrach. Seit sechs Monaten bin ich wieder auf dem Landsitz meiner Familie in Schottland und verbringe die meiste Zeit des Tages in der Bibliothek, abgeschottet von der Außenwelt, bevor ich nachts in meine Träume zurückkehre. In keinem dieser Bücher, die diese Bibliothek füllen, habe ich etwas Vergleichbares gefunden, was ich erlebt habe. Ich bin in das Tal aufgebrochen, um die Legenden zu erforschen, und bin selbst ein Teil von ihnen geworden. Begegnet bin ich einem Ort, der über die Realität hinausgeht und über das Wissen, das in all diesen Büchern steht. Tag für Tag versuche ich nun, die Zeichen zu deuten, die ich notiert habe. Ich weiß, dass sie die Antwort auf alle meine Fragen beinhalten, aber ich kann sie nicht entschlüsseln. Es bringt mich zur Verzweiflung. Ich fürchte, ich verliere den Verstand.
    Schottland, 13. Mai 1909 Heute besuchte mich mein Vater in der Bibliothek. Als ich die Schritte hörte, verbarg ich meine Notizen.
    Mein Kopf war so voller Gedanken, dass ich fürchtete, er könnte platzen.
    Warum kann er mich nicht in Frieden lassen?
    Er stand leicht vorgebeugt und stützte sich auf seinen Stock. Das schüttere weiße Haar und die schmalen grauen Augen unter den buschigen Augenbrauen blieben mir fremd. Er war alt geworden in den Jahren, als ich nicht zu Hause war.
    »Man vermisst dich unten«, sagte er. »Vor allem Fiona.«
    »Wer?«
    »Fiona.«
    Die Erinnerung kehrte nur langsam zurück.
    Lady Fiona Stewart. Eine allseits bewunderte junge Frau, von der jeder sagte, sie sei die hübscheste Debütantin der letzten Jahre. Bisher hatte sie jedes Heiratsangebot ausgeschlagen. Ich hatte kaum zehn Worte mit ihr gewechselt, obwohl es hieß, sie fühlte sich von meiner geheimnisvollen Persönlichkeit angezogen.
    »Du solltest ihr ein wenig mehr Aufmerksamkeit schenken. John? John, hörst du mich?«
    Verwirrt löste ich mich aus den Gedanken und starrte meinen Vater an.
    »Wir haben Gäste«, zischte er, »und du sitzt hier oben und … beschäftigst dich mit diesem Papierkram, anstatt deine Pflichten als zukünftiger Erbe von Dunbar zu erfüllen.«
    Erbe?
    Das Wort berührte keine Saite in mir, sondern hinterließ im Gegenteil einen eigenartigen Nachhall. Ich fühlte, wie meine Ohren zu summen begannen. Ich war wieder im Tal und sah das Licht über dem See. Es blendete mich in den Augen, weshalb ich die Hände vor dem Gesicht zusammenschlug. Nur nach und nach wurde das grelle Licht schwächer und

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