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Der Fluch

Der Fluch

Titel: Der Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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Innersten zusammenhält, ist zum Scheitern verurteilt.
    Solange der Mensch sterben muss, kann er nicht der Herrscher der Welt werden.
    Schottland, 11. August 1913
An manchen Tagen ist mein Blick klar. Ich sehe, wie die Welt um mich herum, die Welt meiner Vorfahren, dem Untergang geweiht ist. Vorbei sind die Tage des Reichtums und der Herrlichkeit, da ganze Heerscharen von Bediensteten sich darum sorgten, dieses Gebäude in seiner ursprünglichen Pracht zu erhalten. Nun gleicht es einer Ruine. Die Decken weisen Risse auf, die Steine lösen sich aus den Mauern, die Farbe an den Wänden blättert ab, die Möbel sind von Feuchtigkeit zerfressen, die Vorhänge zerschlissen und die Teppiche ausgetreten und ausgeblichen.
    Der Anblick von Verfall, Ruin und Vergänglichkeit weckt in mir den Ekel am Leben. Und umso mehr sehne ich mich danach, an den einzigen Ort zurückzukehren, an dem ich glücklich war.
    An manchen Tagen kann ich meine Unruhe kaum ertragen. Als ob ein Feuer in mir brennt. An anderen Tagen wieder sitze ich stundenlang in meinem Sessel vor dem Schreibtisch und spüre, wie Kälte mein Herz überzieht.
    Fiona könnte nicht liebenswürdiger und verständnisvoller sein. Doch die Sanftheit und Zärtlichkeit, mit der sie mir begegnet, wirkt nicht länger beruhigend auf mich. Je größer ihr Wunsch, mich zufriedenzustellen, desto stärker lasse ich sie meine Wut und meine Verachtung spüren. Vor allem seitdem man versucht, Timothy, meinen Sohn, von mir fernzuhalten. Er ist ein schwaches, kränkliches Kind, anfällig für Fieber und Infektionen, die ihn immer wieder an den Rand des Grabes bringen. Und so vergehen Tage und Wochen, bis ich ihn zu Gesicht bekomme. Ich frage mich, ob er überhaupt weiß, dass ich sein Vater bin.
    Auf meine Bitte hin hat man mir mein Bett in der Bibliothek aufgeschlagen, sodass ich die Nächte zwischen den Büchern und meinen Notizen verbringe. Manchmal kann ich nicht mehr unterscheiden, ob ich schlafe oder wache.
    Schottland, 01. September 1913
Die Wochen vergehen wie im Nebel. Ich habe die Bibliothek seit Tagen nicht verlassen und vergesse immer wieder, welcher Tag und welcher Monat es ist. Ich lebe des Nachts und arbeite von der Abend- bis zur Morgendämmerung, bis ich wie gerädert in seltsame Träume falle. Sie bringen mich zurück in das Tal und an diesen seltsamen Ort unter der Erde, dorthin, wo ich die Formel zum zweiten Mal gesehen habe.
    Die Schwindelanfälle werden häufiger und intensiver. Doch ich versuche, den Kopfschmerzen keine Beachtung zu schenken, und ersticke sie mit allen möglichen Mitteln, die mir der Arzt verschreibt. Dennoch weichen sie kaum von mir. Es ist, als ob eine eiserne Klammer meinen Schädel einklemmt und alles bis auf die bohrenden Erinnerungen zum Stillstand bringt.
    Selbst wenn: Es ist mir gleichgültig, täglich schweißüberströmt und mit rasendem Herzen zu erwachen. Ich würde einen weit höheren Preis dafür zahlen, wenn ich die Gelegenheit hätte, noch einmal den Schleier der Erkenntnis lüften zu können, die mir zuteilwurde.
    Schottland, 08. Oktober 1913
Das heutige Mittagessen, an dem teilzunehmen Fiona mich überredet hat, verlief in vollkommenem Schweigen. Und es war diese künstliche Stille, die die Wut in mir entfachte. Die belanglosen Worte, die hier und da gewechselt wurden. Alltägliche Angelegenheiten, die den Haushalt und die Ländereien betrafen. Gespräche über Geld und Kosten. Niemand richtete das Wort an mich, als sei ich gar nicht anwesend. Als sei ich nur noch eine Hülle. Ein Körper, der auf einem Stuhl saß, Messer und Gabel benutzte. Kurz: ein überflüssiges Objekt in ihrer Umgebung.
    Wissen sie nicht, dass ich auserwählt bin, der Welt die Erkenntnis über die wahren Zusammenhänge der Natur zu offenbaren? Dass ich den Ort kenne, an dem diese dem Auserwählten zuteilwird?
    Ich begann, am ganzen Körper zu zittern. Das Atmen fiel mir schwer und ich spürte einen Druck auf der Brust. Das Pfeifen in den Ohren versuchte ich zu übertönen, indem ich aufsprang und ihnen ins Gesicht schrie, dass ihre Welt dazu bestimmt sei unterzugehen. Ihr Geist sei tot, solange sie es vorzögen, in Unwissenheit zu leben.
    Vor lauter Wut konnte ich mich kaum auf den Beinen halten und gleichzeitig entwickelte ich eine unglaubliche Stärke. Eine geradezu animalische Kraft. Diese Kraft, nach der ich mich immer häufiger sehne. Sie allein vermag die Leere in mir zu füllen. Ja, obwohl sie mich regelmäßig zur Raserei treibt, setzt sich dennoch

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