Der Flug der Adler
half ihm hinein, und Max setzte sich in den großen ledernen Klubsessel. »Und was geschieht jetzt?«
Schröder lud eine Spritze auf. »Dies ist ein lokales Betäubungsmittel. Es wird Ihr Gesicht ein paar Stunden lang empfindungslos machen. Wirkt in Sekundenschnelle.«
Max zuckte zusammen, als die Spritze in seine Wange drang. Ein paar Augenblicke später brummte er: »Und jetzt?«
Schröder untersuchte Harrys linke Wange. »Gute Arbeit, und ist noch gar nicht lange her, habe ich recht?«
»Ja.«
Schröder wandte sich wieder an Max. »Nehmen wir mal an, Sie hätten sich bei dem Absturz das Gesicht gestoßen, was zu einer blau angelaufenen linken Wange führen würde. Da die Narbe Ihres Bruders noch relativ jung ist, ist es logisch anzunehmen, daß sie aufplatzt.«
»Wenn Sie das sagen.« Plötzlich hatte Max kein Gefühl mehr im Gesicht.
»Von daher wäre es notwendig, die Wunde ein zweites Mal
zu vernähen.« Schröder nickte. »Und genau das werde ich jetzt tun.«
»Aber er hat keine Narbe«, warf Harry ein.
»Stimmt, aber er wird gleich eine haben.« Schröder nickte dem Burschen zu. »Halten Sie seinen Kopf, und Sie Herr Oberstleutnant, halten sich an den Sessellehnen fest.«
Max tat, wie ihm geheißen. Schröder ging zu dem Tisch mit den chirurgischen Instrumenten, nahm einen flachen Stahlstab, wandte sich um und schlug Max ohne Vorwarnung auf die linke Wange. Max' Kopf fuhr trotz des Klammergriffs, in dem der Bursche ihn gepackt hielt, unter der Wucht des Schlages zur Seite, aber er fühlte rein gar nichts. Schröder schlug ihn noch zweimal, allerdings nicht mehr so hart, und dann ließ er den Stab in einen Eimer fallen.
»Gut, das sollte richtig schön blau werden.«
Er wandte sich Harry zu und nahm ein kleines Meßband aus seiner Tasche. »Wenn Sie erlauben, Herr Oberstleutnant?« Er maß sorgfältig die Narbe, wandte sich dann um und hielt das Band an Max' Wange. »Gut.« Er nickte dem Burschen zu. »Halten Sie sich bereit.«
Der Mann holte eine Emailleschüssel und Wattebäuschchen hervor und stellte sich in Position. Schröder nahm ein Skalpell vom Tisch und drehte sich um. »Sie werden nicht das geringste spüren, Herr Oberstleutnant, vertrauen Sie mir.«
»Machen Sie nur schnell«, sagte Max.
Schröder zog das Skalpell äußerst vorsichtig über Max' linke Wange. Blut strömte heraus, und der Bursche saugte es sofort mit der Watte auf. Schröder ließ das Skalpell in den Eimer fallen, langte auf den Tisch und nahm eine kleine Metalldose. Er besprühte damit zweimal die Wunde.
»Eine neue Erfindung. Läßt das Blut sofort gerinnen. Jetzt kommt die Feinarbeit.«
»Sie kennen sich offenbar aus, das muß man Ihnen lassen«, sagte Max.
Harry schaffte es unterdessen in seinem Entsetzen gerade noch eine Zigarette herauszuholen und sie sich mit zitternden Händen anzuzünden. »Um Himmels willen«, sagte er.
Schröder nähte die Wunde sorgfältig und zügig zu, und als er damit fertig war, legte er einen Wundverband an, tupfte das Gesicht ab und trat einen Schritt zurück.
»Mal was anderes. Ich bin mit mir sehr zufrieden.«
»Sie verstehen was von Ihrem Fach, das muß man Ihnen lassen«, keuchte Max.
Als Max aufstand und der Bursche ihm aus dem blutbespritzten Kittel half, nahm Schröder eine kleine Schachtel vom Tisch. »Sobald die Wirkung der lokalen Anästhesie nachläßt, werden Sie Schmerzen bekommen. Dies sind Morphium-Ampullen, eine Feldpackung. Brechen Sie sie an den Enden mit den Fingernägeln auf. Ein kurzes Schnipsen, mehr braucht's nicht.«
»Sie sind wirklich zu gütig.« Max verstaute die Schachtel in der Kartentasche seiner weiten Luftwaffenhose. »Und jetzt?«
»Tja, wenn Sie sich wohl genug fühlen, dann gehen wir jetzt zum Mittagessen in den Speisesaal – nur eine leichte Mahlzeit für Sie, Herr Oberstleutnant. Danach hat, soweit ich weiß, Oberst Hartmann bereits Pläne für Sie.«
Harry hob sich auf die Krücken und sagte: »Ich hab nach dieser Sache hier einen Drink bitter nötig.«
» Du brauchst einen Drink?« Max bog sich vor Lachen und legte den Arm um Harry. »Du warst schon immer ein selbstsüchtiger Mistkerl.«
Sie hatten den Speisesaal für sich allein. Max, Harry, Elsa und Hartmann. Die Baronin war entsetzt, als sie Max' Gesicht sah. »Was haben Sie mit dir gemacht?«
»Es war notwendig, Mutti. Harry hat eine Narbe, also muß ich auch eine Narbe
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