Der Flug der Adler
Hartmann.«
»Also, auf, es ist an der Zeit, daß sie sich ihren Lohn verdienen. Auf geht's, Trudi.«
»Tja, also, einer der
Verbindungsleute, ein gewisser Fernando Rodrigues in London,
Portugiese, hat tatsächlich von Zeit zu Zeit Nachrichten,
allerdings von minderwertigem Interesse, weitergegeben. Er arbeitet an
der portugiesischen Botschaft in London.«
»Aha«, sagte Hartmann. »Und wen gibt's noch?«
»Irgendeine Frau namens Dixon – Sarah Dixon. Sie arbeitet dort im Heeresministerium.«
Hartmann setzte sich auf. »Ist das Ihr Ernst?
Wir haben eine Angestellte im Heeresministerium, und sie ist immer noch
an Ort und Stelle?«
»Nun ja, sie hat nie der Abwehr
angehört. Wenn ich kurz erklären darf, wie die Dinge vor
Ihrer Ankunft waren, Herr Hartmann – nur die Abwehr durfte im
Ausland ein Agentennetz unterhalten. Sturmbannführer Kleins
Unternehmung für den SD war eigentlich illegal. Als die Briten
also in das Netz der Abwehr eingedrungen sind und sämtliche
Agenten in England enttarnt haben, blieben unsere davon unberührt.
Sie wurden nie kompromittiert.«
»Ich verstehe.« Hartmann war ganz aufgeregt. »Bringen Sie mir die Akten. Sofort!«
Fernando Rodrigues war
Handelsattaché an der portugiesischen Botschaft in London, und
sein Bruder Joel war in der gleichen Funktion an der Botschaft in
Berlin tätig. Sehr praktisch. Hartmann las die Akten und hatte die
beiden schnell durchschaut: geldgierige Männer, die gern die Hand
aufhielten. Nun denn. Zumindest wußte man bei solchen Leuten,
woran man war, und zur Not konnte man sie ja jederzeit schnell
loswerden.
Bei Sarah Dixon lag der Fall etwas
anders. Sie war fünfundvierzig, die Witwe eines gewissen George
Dixon, eines Bankangestellten, der seinen Kriegsverletzungen aus dem
Jahre 1917 erlegen war. Ihr Mädchenname war Sarah Brown. Sie
stammte aus London und hatte einen englischen Vater und eine irische
Mutter. Ihr Großvater, IRA-Aktivist, war während der
Osteraufstände gegen die Briten in Dublin erschossen worden.
Sie wohnte allein in Bayswater in London und
arbeitete seit 1938 als Büroangestellte im Heeresministerium.
Ursprünglich war sie im gleichen Jahr als IRA-Sympathisantin von
einem Aktivisten namens Patrick Murphy während des Bombenterrors
in London und Birmingham angeworben worden; und Murphy wiederum hatte
für Klein und den SD gearbeitet. Sie hatte sich zur Zusammenarbeit
bereiterklärt, und kurz darauf kam Murphy bei einer
Schießerei mit Sicherheitspolizisten um.
Hartmann blickte auf. »Dann wartet sie also immer noch?«
»Allem Anschein nach, Herr Hartmann.«
»Gut. Bestellen Sie diesen Joel
Rodrigues von der portugiesischen Botschaft her. Denn knöpfen Sie
sich vor. Sagen Sie ihm, er soll sich auf diplomatischem Wege mit
seinem Bruder in London in Verbindung setzen. Der soll sich dann mit
der Dixon zusammentun. Stellen Sie sicher, daß sie verfügbar
ist, wenn wir sie brauchen. Wenn diese RodriguesBrüder Ihnen
Schwierigkeiten machen, kommen Sie zu mir. Wir werden denen schon den
Marsch blasen.«
»Gut, Herr Hartmann.«
Trudi ging hinaus. Hartmann
zündete sich noch eine Zigarette an. »Auc h eine Art, einen
Krieg zu führen«, sagte er leise.
»Sie sehen also«, sagte
Trudi Braun zu Joel Rodrigues, der vor ihrem Schreibtisch saß,
»es ist ganz einfach. Ihr Bruder nimmt Verbindung mit dieser Frau
auf und hält sie sich warm. Deren Anstellung im Heeresministerium
sollte der Mühe wert sein sind dort doch jede Menge pikante
Einzelheiten zu holen. Jedoch nichts übertreiben. Er soll
bescheiden bleiben. Wir wollen nicht, daß sie in Verdacht
gerät. Es könnte ja noch der Moment kommen, wo sie wirklich
wichtig für uns wird.«
Rodrigues war nervös, und es war
ihm anzumerken. »Ich weiß nicht, Frau Braun. Könnte
sein, daß mein Bruder nicht allzu glücklich darüber
sein wird.«
Hartmann, der hinter der angelehnten
Tür im Zimmer nebenan stand und lauschte, trat auf der Stelle ein.
Als Joel Rodrigues die prächtige Uniform erblickte, brach er
sogleich in Schweiß aus.
»Ihr Bruder hat keine Wahl. Wenn Sie ihm also
per Diplomatenpost schreiben«, sagte Hartmann, »dann
erinnern Sie ihn daran, daß er seit mittlerweile drei Jahren
einen monatlichen Pauschalbetrag einstreicht und bisher kaum etwas
dafür getan hat.«
Rodrigues sprang auf. »Bitte,
Herr Sturmbannführer, ich wollte damit nicht etwa andeuten,
daß es da Probleme gibt.«
»Freut mich zu
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