Der Flug der Adler
Da sind auch irgendwelche Sondereinsätze. Wie wir ja wissen, hängt alles mit Tempsford und Tangmere zusammen, und natürlich mit Cold Harbour.«
»Gut.« Er faltete die Unterlagen zusammen und steckte sie in seine Tasche. »So, und jetzt wird gegessen.«
Croydon war in dichten Nebel gehüllt, und während Abe in einer recht kahlen Wellblechbaracke wartete und schlechten Kaffee trank, regnete es draußen in Strömen. Die Lysander, dieser gedrungene, häßlich Hochdecker, stand auf dem Vorfeld und wurde von Mechanikern gewartet. Harry, im Regenmantel und in Stiefeln, hielt sich einen Regenschirm über den Kopf, während er mit ihnen redete. Als ein Wagen des Generalstabs vorfuhr, wandte er sich um und ging auf ihn zu. Der Fahrer stieg aus und öffnete Eisenhower den Verschlag. Ein junger Major kam von der anderen Seite des Wagens herumgeeilt. Harry trat mit dem Regenschirm vor.
»Na, danke, junger Mann«, sagte Eisenhower, und sie gingen in Richtung Baracke.
»Morgen, Abe«, sagte Eisenhower. »Ist das Kaffee?«
»Der schlechteste der Welt, aber heiß.«
»Mehr brauche ich jetzt auch nicht.« Er nahm die Tasse, die ihm ein Unteroffizier reichte. »Darf ich Ihnen meinen Adjutanten vorstellen: Major Hill.«
Hill trug das Pilotenzeichen, das Fliegerkreuz und das Verwundetenabzeichen. »Sehr erfreut, Herr Senator.«
»Fliegen wir überhaupt?« wollte Eisenhower wissen. Er spähte in den Regen und die Nebelsuppe hinaus. »Was meinen Sie, Herr Major?«
»Ich weiß nicht genau. Besser, wir fragen den Piloten.« Im selben Moment kam Harry aus dem Kartenraum. »Fliegen wir?« fragte Hill ihn. »Sieht für mich aus, als könnten wir's vergessen.«
Harry spähte hinaus. »Kein Problem. Nebel hat beim Starten
überhaupt keine Bedeutung, Major. Das sollten Sie wissen.«
Hill war verärgert. »Hören Sie, es geht hier um den Oberbefehlshaber. Ich will nicht, daß irgendein Kurierflieger versucht, sich einen Namen zu machen.«
»Nun, wir müssen einfach unser Bestes tun, Major, und nehmen Sie bitte einen anderen Ton gegenüber einem Ranghöheren an.«
Harry legte seinen Regenmantel ab und nahm seine Fliegerjacke vom Haken. Eisenhower wandte sich um und runzelte die Stirn. Hill sah plötzlich die ganzen Auszeichnungen und Schulterstreifen von Harry. »Entschuldigung, Herr Oberstleutnant. Das habe ich nicht gewußt«, stammelte er.
»Nun, jetzt wissen Sie's ja.«
Harry schlüpfte in seine Fliegerjacke, und Eisenhower sagte: »Sie sind Amerikaner?«
»Harry Kelso, Sir.«
Eisenhower hielt ihm die Hand hin. »Dann lernen wir uns also doch noch kennen, Herr Oberstleutnant, und es ist mir eine Ehre.« Er wandte sich an Hill. »Er ist Senator Kelsos Enkel.«
Jetzt war auch in Hills Gesicht dieser Ausdruck von Ehrfurcht zu lesen, der bei vielen Leuten des Gewerbes zu beobachten war, wenn sie Kelso gegenüberstanden. »Sie haben an der Luftschlacht um England teilgenommen. Sie haben die Orsini versenkt.«
»Gehört zum Geschäft, Herr Major.« Harry wandte sich an Eisenhower. »Heftiger Regen in der Gegend um Southwick House, aber ansonsten klar. Ein wenig böig, aber in vierzig Minuten habe ich Sie dort.«
»Einverstanden«, sagte General Eisenhower.
Es war kein angenehmer Flug. Es war laut, der Regen trommelte aufs Kanzeldach, und das Flugzeug fiel beängstigend oft in Luftlöcher. Aber dann tauchte links Portsmouth auf, das vom Regen geradezu verschluckt wurde, aber Harry hielt sein Versprechen und landete pünktlich auf der Rollbahn. Ein Wagen des Generalstabs stand bereit.
Als sie darauf zugingen, sagte Eisenhower zu Harry: »Um vier wieder zurück. Ist Ihnen das recht, Herr Oberstleutnant?«
»Selbstverständlich. Die Maschine wird bereits gewartet, und wir werden auch auftanken, obwohl das eigentlich nicht nötig wäre. Was tut man nicht alles für wichtige Passagiere, Herr General. Ich werde hier auf Sie warten.«
»Nein, das werden Sie nicht. Sie kommen mit uns ins Haus«, und damit stieg Eisenhower in den Wagen.
Fort Southwick war eine Festungsanlage aus dem neunzehnten Jahrhundert, das über eine labyrinthische, unterirdische Tunnelanlage verfügte. Es wurde von den Alliierten als Einsatz- und Planungszentrum für die Operation Overlord benutzt. Der gesamte die Invasion betreffende Nachrichtenverkehr lief hier zusammen, und das Herzstück war der Planungsraum der Marine. Der Ort war eines der bestgehüteten Geheimnisse des
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