Der Flug der Aurora – Die Frontier-Saga (1): Die Frontier-Saga 1 (German Edition)
noch vermisst«, antwortete sie.
»Dann sind Sie jetzt also die Oberärztin.«
Doktor Chen fixierte schweigend den Verband. Nathan spürte ihre Anspannung.
»Doc, alles okay?«
Doktor Chen schaute ihn an. »Nein, überhaupt nicht«, sagte sie. »Es geht mir gar nicht gut. Und ich fühle mich der Verantwortung nicht gewachsen. Ich arbeite gerade mal drei Wochen als Assistenzärztin! Die meiste Zeit über weiß ich nicht mal, was ich eigentlich mache!«
»Na, na«, meinte er beruhigend. »Schauen Sie mich an. Ich sitze erst seit gut einer Woche am Steuer! Und auf einmal bin ich Captain.«
»Das verstehen Sie nicht. All diese Leute da draußen, die erwarten, dass ich sie rette. Ich. «
»Ja, ich habe die Leute gesehen, Doc. Und wissen Sie was? Dass sie verletzt sind, ist vor allem meine Schuld! Sie sind wegen meiner Entscheidungen hier gelandet! Möchten Sie mit mir tauschen?«
Sie schaute ihn eine Weile an, dann sagte sie: »Reichen Sie mir bitte mal die Pneumospritze aus dem Schrank.«
»Was, bitte?«
Sie schüttelte den Kopf und holte selber die Spritze aus dem Schrank. »Möchten Sie tauschen?«, meinte sie spöttisch, als sie die Spritze füllte. »Ich mach’s, aber unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?«, fragte er und zuckte zusammen, als sie ihm das Medikament ins Bein injizierte.
»Dass es nur vorübergehend ist.«
»Kein Problem«, versicherte er ihr. »Sobald wir wieder zu Hause sind, wird man uns alle durch erfahrenere Offiziere ersetzen.«
»Gut, denn ich will die Verantwortung keine Sekunde länger tragen als nötig.«
Nathan hätte ihr gern gesagt, dass er genauso empfand, doch er hatte keine Ahnung, wie lange es dauern würde, das Schiff nach Hause zu bringen. Und dass der Captain lieber heute als morgen das Handtuch werfen würde, wollte die Besatzung bestimmt nicht wissen.
»Also, ich sollte wohl erwähnen, dass es ein wenig länger dauern könnte, als wünschenswert wäre.« Nathan wappnete sich für ihre Nachfrage, doch ihre Reaktion beschränkte sich auf einen besorgten, müden Blick.
»Was sagen Sie da?«
»Es könnte eine Weile dauern, bis wir zur Erde zurückkommen.«
»Aber die Rettungskräfte werden an Bord kommen, sobald die Kämpfe beendet sind«, sagte sie. »Ich meine, der Jupiter ist doch selbst von den langsamsten Raumschiffen in ein paar Stunden zu erreichen, nicht wahr?«
»Ja, schon. Aber wir befinden uns nicht mehr in der Nähe des Jupiters«, gestand ihr Nathan, als sie den Verband fixierte. »Vielleicht sollten Sie sich besser setzen.«
Doktor Chen hatte die Neuigkeiten erstaunlich gefasst aufgenommen. Dabei war ihr bewusst geworden, dass sie trotz all ihrer fachlichen Selbstzweifel die einzige Person an Bord war, die für den Job wenigstens halbwegs qualifiziert war. Nathan bedankte sich für die Behandlung und überließ sie ihren zahlreichen Patienten. Er hatte das Gefühl, dass die zierliche, zurückhaltende Ärztin weit stärker war, als sie sich selbst bewusst machte.
Der Weg zum Maschinensektor war mühsamer gewesen, als Nathan erwartet hatte. Wegen der Größe des Hangars beschrieben die meisten Flure einen Umweg, der an der Innenseite des Rumpfes entlangführte. Im Vergleich zur MedStation, die weiter im Schiffsinneren gelegen war, hatten diese Sektoren größere Schäden davongetragen. Die meisten Flure waren aber noch passierbar. Allerdings musste Nathan einige Male umkehren, weil die Schäden zu groß waren. Jetzt bedauerte er, dass er nicht den direkten Weg durch den Hangar genommen hatte. Das wäre nicht nur einfacher gewesen, sondern er hätte auch einen Blick auf das darin abgestellte Rebellenschiff werfen können.
Nathan überlegte beklommen, was er im Maschinenraum wohl vorfinden würde. Der Sektor lag am vorderen Rand des Mittschiffssektors, unmittelbar vor dem gewaltigen Antriebssektor am Heck. Der Ort war so gewählt, dass die Reaktorkerne notfalls rasch ausgewechselt werden konnten. Damit aber wurde der Sektor auch verwundbar durch Angriffe. Captain Roberts war sich dieser Schwäche bewusst gewesen. Beim Kampf mit dem Patrouillenschiff der Yung hatte er den Bereich dadurch geschützt, dass er mit der Bugseite angegriffen hatte, und später, als sie über dem Gegner vorbeigeflogen waren, hatte er ihm die gepanzerte Unterseite des Schiffes zugewandt.
In der Nähe des Maschinenraums roch es nach verschmorter Elektronik. Als Nathan durch die Hauptluke trat, verschlug ihm der Gestank beinahe den Atem. Überall sah man durchgebrannte
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