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Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Traums.
    »Wir werden in den Villen der Kosica übernachten«, sagte Beckes. »Das war eine ausländische Firma, die es jetzt nicht mehr gibt.« Wir durchquerten die schlafende Stadt und danach eine schilfbewachsene Ebene auf einem sich unaufhörlich windenden Weg. Mit einemmal aber wurde die Straße breiter und mündete in eine weite Savanne unter sternenklarem Himmel, deren gewaltiges Ausmaß man in der Finsternis nur ahnen konnte. Wir hatten den westlichen Rand des Dschungels erreicht. Bald waren die Villen zu sehen: weit auseinanderliegende Häuser, die miteinander nichts zu tun zu haben schienen. Ein Schwarzer mit Taschenlampe trat uns in den Weg. Er wechselte ein paar Worte auf Sango mit Beckes und führte uns dann zu einem geräumigen Haus mit einer kurzen Veranda. Dreihundert Meter weiter stand ein zweites, spärlich erhelltes Haus; unser Führer zeigte mit seiner Taschenlampe darauf und erklärte in gedämpftem Ton: »Seien Sie vorsichtig, in dieser Villa haust ein Ungeheuer.«
    »Was für ein Ungeheuer?« fragte ich.
    »Ein Weißer. Otto Kiefer. Ein furchtbarer Mensch.«
    »Aber er ist krank, nicht?«
    Der Schwarze leuchtete mir mit dem Strahl seiner Lampe ins Gesicht.
    »Ja«, sagte er, »sehr krank. Aids. Kennen Sie das?«
    »Ich hab’ davon gehört.«
    »Der Weiße macht uns das Leben zur Hölle, Chef. Aber er verreckt einfach nicht.«
    »Ist sein Fall denn hoffnungslos?«
    »Selbstverständlich«, gab der Mann zurück. »Aber das hindert ihn nicht daran, selber das Gesetz zu machen. Er ist ein Tier und gefährlich. Furchtbar gefährlich. Wir kennen ihn alle hier, er hat wer weiß wie viele Neger umgebracht. Und jetzt hat er Handgranaten und Automatikwaffen bei sich und droht, uns alle in die Luft zu sprengen. Aber so leicht geht das nicht! Ich hab’ selber ein Gewehr und .«Er verstummte. Er schien außer sich vor Wut und unfähig, weiterzusprechen.
    »Lebt dieser Weiße allein im Haus?« fragte ich.
    »Eine Frau kümmert sich um ihn. Eine M’Bati. Sie ist auch krank.« Der Schwarze stockte abermals, und wieder richtete er seine Lampe auf mein Gesicht. »Bist du seinetwegen gekommen, Chef?«
    Die Nacht war schwer wie lauwarmer Sirup. »Ja und nein«, sagte ich. »Ich würde ihn gern besuchen. Das ist alles. Im Namen eines Freundes.«
    Der Schwarze ließ seine Lampe sinken. »Merkwürdige Freunde hast du, Chef.« Er seufzte. »Hier will uns keiner mehr Fleisch verkaufen. Und sie reden davon, alles niederzubrennen, sobald Kiefer tot ist.«
    Beckes trug das Gepäck in die Villa. Tina war irgendwo in der Nacht verschwunden. Ich bezahlte den Schwarzen für die Unterkunft und stellte ihm eine letzte Frage: »Und die Störche? Landen sie weit von hier?«
    Der Schwarze breitete beide Arme aus und wies auf die Ebene. »Die Störche!« rief er. »Genau hierher kommen sie. Wir sind mitten in ihrem Revier. In ein paar Tagen sind es Tausende. In der Ebene, am Flußufer, rund um die Häuser - überall. So viele, daß man kaum einen Fuß vor den anderen setzen kann!«
    Meine Reise war zu Ende, ich war am letzten Bestimmungsort angelangt: dem Ziel der Störche, dem Ziel von Louis Antioche, dem Ziel von Otto Kiefer, dem letzten Glied im Ring der Diamantenhändler. Ich bedankte mich bei dem Mann, dann griff ich nach meiner Reisetasche und trat ins Haus. Es war ziemlich groß und möbliert mit niedrigen Tischen und Sesseln aus Holz. Beckes zeigte mir das Zimmer, das er mir zugewiesen hatte; es lag am Ende eines langen Gangs. Ich betrat meine Höhle. Mitten im Raum stand das Bett unter einem hohen, weiten Moskitonetz, und aus den Tüllvorhängen tönte eine Stimme: »Kommst du, Louis?«
    Mir stockte der Atem. Aber trotz meines Schreckens, trotz der Finsternis erkannte ich Tina.
    »Was machst du denn hier?« fragte ich entgeistert.
    »Ich warte auf dich.«
    Dann brach sie in ein Gelächter aus, und ihre weißen Zähne zerschnitten das Samtgewebe der Nacht. Ich erwiderte ihr Lachen und glitt unter das Moskitonetz - und war dankbar, daß mir das Schicksal noch einmal eine Gnadenfrist gewährte.

43
     
    Mit wenigen raschen Gesten hatte ich sie aus ihrem Gewand gewickelt; wie zwei Torpedos sprangen ihre Brüste hervor. Ich stürzte mich auf ihre Scham, die herb und bitter schmeckte zwischen gekräuseltem Haar, und versenkte meine Zunge darin, auf der Suche nach wer weiß, was - Vergessen, Zärtlichkeit oder auch nur ein paar reumütigen Erinnerungen. Ein Schauder überlief ihre Haut, und ihre langen, schlanken Schenkel

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