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Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Gesicht, packte ihn am Hemd und schob ihn an der Wand hinauf bis zu einem Kalenderblatt mit einer barbusigen Schönen. Wieder grinste Clement, und ich sah, daß ihm Fetzen von meiner Haut zwischen den Zähnen hingen. Ich rammte ihm den Revolverlauf in ein Nasenloch (allmählich wurde es mir zur Gewohnheit).
    »Wo ist Kiefer, du Saukerl?« fauchte ich.
    Mit blutigen Lappen säuselte er: »Arschloch. Dir sag’ ich gar nichts.«
    Ich hieb ihm mit aller Kraft den Lauf auf den Mund. Er spuckte mehrere Zähne aus, und als ich ihn an der Gurgel packte und würgte, quoll das Blut zwischen seinen strichförmigen Lippen hervor und rann über meine verkrampfte Hand.
    »Spuck’s aus, Clement, dann bin ich in zwei Minuten weg. Ich überlaß dich deiner Mine und deinem Wahnsinn. Los, mach schon. Wo ist Kiefer?«
    Mit seiner brauchbaren Hand wischte Clement sich über den Mund und knurrte: »Nicht da.«
    Ich verstärkte den Druck um seine Kehle. »Wo ist er?!« brüllte ich ihn an.
    »Weiß nicht.«
    Ich schmetterte seinen Schädel gegen die hölzerne Wand und brachte die Barbusige zum Erbeben.
    »Rede, Mann!«
    »Er ... er ist in Bayanga. Von hier aus im Westen. Zwanzig Kilometer .«
    Bayanga. Mir dämmerte etwas: so hieß die Ebene, von der M’Konta gesprochen hatte. Jeden Herbst versammelten sich dort die Zugvögel. Also waren die Störche zurückgekehrt. Ich brüllte ihn an: »Ist er wegen der Vögel dort?«
    »Vögel? Welche . welche Vögel?«
    Der Vampir stellte sich nicht absichtlich dumm, er wußte tatsächlich nichts von dem Diamantenkuriersystem.
    »Seit wann ist er weg?« fragte ich.
    »Zwei Monate.«
    »Zwei Monate! Bist du sicher?«
    »Ja.«
    »Mit dem Helikopter?«
    »Na sicher.«
    Immer noch hielt ich den Hals des alten Reptils umklammert. Seine faltige Haut blähte sich, als er nach Luft schnappte. Ich war ein wenig aus der Fassung geraten. Mit allem anderen hätte ich eher gerechnet als mit dieser Auskunft.
    »Und seither hast du nichts mehr gehört?«
    »Nein . nichts .«
    »Ist er immer noch in Bayanga?«
    »Weiß ich nicht .«
    »Und der Helikopter? Er ist doch vor etwa einer Woche zurückgekommen, nicht?«
    »Doch.«
    »Wer saß drin?«
    »Weiß ich nicht. Hab’ nix gesehen.«
    Wieder hieb ich seinen Kopf gegen die Wand. Das Kalenderblatt fiel zu Boden. Clement hustete und spuckte Blut, dann beteuerte er noch einmal: »Ich schwör’s! Ich hab’ nichts gesehen . Man . man hat nur den Helikopter gehört. Sonst nix. Sie sind nicht in der Mine gelandet. Ich schwör’s!«
    Clement wußte nichts. Er gehörte weder zu dem Diamantenring noch zu den Händlern mit gestohlenen Herzen. Seinem Chef Kiefer galt er wahrscheinlich nicht mehr als der Dreck, der ihm am Hintern klebte. Trotzdem ließ ich nicht locker. »Und Kiefer?« fragte ich noch einmal. »War er dabei?«
    Der Kerl grinste breit mit seinen verbliebenen spitzen Zähnen und quietschte: »Kiefer? Der geht nirgends mehr hin.«
    »Wieso?«
    »Weil er krank ist.«
    »Krank? Was erzählst du da für einen Quatsch?«
    Aber der Kerl wiederholte, wobei er sein altes Gerippe schüttelte: »Krank. Kiefer ist krank. Und wie .« Und fing an zu lachen, mit blutigen Blasen in den Mundwinkeln. Ich ließ ihn los; er sackte auf dem Boden zusammen.
    »Was für eine Krankheit hat er, du alter Irrer? Los, mach, rede.«
    Er warf mir einen schrägen Blick zu, in dem der Wahnsinn loderte, und knirschte: »Aids. Kiefer hat Aids.«

42
     
    Wie ein Verrückter rannte ich durch den Wald zurück zu Beckes, Tina und den anderen, verarztete meine Hand und befahl zum neuerlichen Aufbruch - Richtung Bayanga. Wir machten uns also wieder auf den Weg, nach Westen diesmal und auf einer breiteren Piste. Zehn Stunden dauerte der Fußmarsch. Zehn Stunden stummer, atemloser, gehetzter Quälerei, während deren wir nur ein einziges Mal rasteten, um die kalten Überreste des Maniokbreis zu vertilgen. Der Regen hatte wieder eingesetzt; endlose Schnüre prasselten auf uns herab, aber wir schenkten ihnen keine Beachtung mehr. Schwer vom Wasser klebten uns die Kleider an der Haut und behinderten uns beim Gehen. Dennoch behielten wir unser Tempo bei, und gegen acht Uhr abends tauchte Bayanga vor uns auf.
    Nur ein paar vereinzelte, flackernde Lichter in der Ferne waren zu sehen. Ein Geruch von Maniok, gemischt mit Petroleum, wehte durch die Luft. Ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. In einen Winkel meines Herzens war eine messerscharfe Angst zurückgekehrt, wie der Rückstoß eines bösen

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