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Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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öffneten sich über dem Reich, das ich entweihte. Eine Stimme über mir sagte etwas auf Sango, dann zogen mich ihre schmalen Hände nach oben und ergriffen meine Hüften, um mich an die rechte Stelle zu rücken, genau über der Höhle der Dunkelheit. Sanft, ganz sanft drang ich zwischen Tinas Beinen ein.
    Ihr Leib war gespannt und erregt, voller Muskeln und Anmut, und setzte seine Sanftheit ebenso ein wie seine Kraft, spielerisch und ganz nach Belieben, anscheinend ohne jede Mühe. Tina verstand es, mich gefangenzunehmen. Mit Bewegungen, die mir unbekannt waren, tief und quälend, riß sie mich mit. Ihre Hände fanden meine geheimsten Orte, die empfindlichsten Stellen meines Körpers. Ganz auf sie konzentriert, schweißüberströmt und vom Feuer verzehrt, ließ ich meine Lippen über ihre schwarzen Achseln gleiten, über ihren Mund mit den gewalttätigen Zähnen, ihre harten und bebenden Brüste, und auf einmal, viel zu rasch, brandete eine steile Woge in mir auf, und eine Explosion der Lust erfaßte mich, die gleich darauf an Schmerz grenzte. Und im selben Augenblick stürzten Bilder auf mich ein, wie um meine Seele zur Auflösung zu bringen: ich sah Gomuns wurmzerfressene Leiche, Sikoffs verbrannten Schlund, Marcels blutüberströmtes Gesicht und das Moskitonetz meiner Kindheit, das knisternd in Flammen aufging. Ein paar Sekunden später war alles wieder fort, die Lust strömte durch meine Adern und erfüllte mich - und schon mit ihrem Vorgeschmack auf das Grab.
    Tina hingegen war noch nicht soweit. Sie stürzte sich auf die behaarten Stellen meines Körpers, leckte, saugte, verschlang meine Achseln und meine Scham, fuhr mit ihrer sanften, schimmernden Zunge über meine Haut, bis ihr sich bäumender Körper von einer animalischen Raserei ergriffen wurde. Ich war nicht mehr sehr auf der Hut. Aufstöhnend zerriß Tina den Verband an meiner verletzten Hand und rammte meine Finger in ihr Geschlecht, das so rosig und lebendig war, daß es in der Dunkelheit zu leuchten schien. Und während mein Blut aus der wieder aufgerissenen Wunde langsam zwischen ihren Beinen hinabtropfte, erreichte auch sie unter Verrenkungen und Wendungen ihren Höhepunkt, und in diesem Augenblick explodierte eine Wolke von Düften, herben bis köstlich süßen, wie der Geruch selbst der brennenden, verzehrenden Lust des Mädchens. Tina krümmte sich rückwärts, schwankend und erschöpft sank sie ins Laken wie eine betörende Blüte, vernichtet von ihrem eigenen Nektar.
    In dieser Nacht schlief ich nicht. Während der Atempausen, die Tina mir gewährte, dachte ich unaufhörlich nach. Über die geheime Logik meines Schicksals, die immer heftigeren, immer intensiveren Gefühle und Empfindungen, die immer prächtigeren Schönheiten, die mir geboten wurden, je gewalttätiger und gefährlicher mein Dasein wurde. Ich erkannte eine merkwürdige Symmetrie: die Gewitterhimmel, Marcels Freundschaft, die Zärtlichkeiten von Sarah und Tina fanden ihr Gegenstück in der Grausamkeit des Bahnhofs von Sofia, der Gewalt der besetzten Gebiete, dem verstümmelten Körper von Gomun. Alle diese Ereignisse und Tatsachen waren die zwei Seiten ein und derselben Straße, die ich eingeschlagen hatte und die mich, gegen meinen Willen, bis ans Ende der Existenz führte. Dorthin, wo der Mensch nicht imstande ist, noch mehr zu ertragen, wo er bereit ist zu sterben, weil er jenseits aller Bewußtheit spürt, daß er alles weiß, was es für ihn zu wissen gibt. Ja, in dieser Nacht unter dem Moskitonetz machte ich mich mit der Möglichkeit meines eigenen Todes vertraut.
    Plötzlich hörte ich ein Geräusch, und innerhalb weniger Sekunden wiederholte sich tausendfach sein Echo wie eine Myriade von Spiegelungen in der morgendlichen Luft. Es war ein Klappern, ein Rauschen, das ich gut kannte. Ich sah auf die Uhr: sechs Uhr. Schwach schimmerte das erste Morgenlicht durch die Vorhänge. Tina war eingeschlafen. Ich ging zum Fenster, öffnete die verglasten Flügel und blickte hinaus.
    Sie waren gekommen. Sanft und grau standen sie aufrecht auf ihren dünnen Beinen. Mit einem Säuseln, das so leise war wie ein Hauch, ließen sie sich nieder und verteilten sich überall auf der Ebene, zwischen den Häusern, und vor allem an den Ufern des Flusses und den schlanken Schilfrohren. Und mir war klar, daß es Zeit war.
    »Gehst du?« flüsterte Tina.
    Statt einer Antwort kehrte ich zurück unter das Moskitonetz und küßte ihr Gesicht. Ihre geflochtenen Zöpfe lagen ausgebreitet auf dem

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