Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
Reue und gefangen in einer Einsamkeit, die mir noch nie so bedrückend erschienen war. Mein Überleben war nichts als ein Wunder gewesen. Jetzt mußte ich mich dringend polizeilicher Unterstützung versichern, um mich dem letzten blutigen Kreis zu stellen.
    Sieben Uhr morgens. Ich rief Hervé Dumaz zu Hause an. Keine Antwort. Ich kochte Tee, dann setzte ich mich ins Wohn/immer und grübelte über meinen finsteren Gedanken. Auf dem Couchtisch sah ich den Poststapel durch - Einladungen, Briefe von Universitätskollegen, Intellektuellenmagazine und Tageszeitungen ... Ich nahm mir die Le-Monde-Ausgaben der letzten Tage vor und überflog sie zerstreut.
    Plötzlich stutzte ich und las, erst ungläubig, dann fassungslos, folgenden Artikel:
     
    MORD AN DER DIAMANTENBÖRSE
    Am 27. September 1991 wurde in den Räumen der berühmten Beurs van Diamanthandel in Antwerpen ein Mord verübt. Im oberen Stockwerk schoß die junge Israelin Sarah Gabbor, bewaffnet mit einer Selbstladepistole der österreichischen Marke Glock, einen Inspektor der Schweizer Polizei namens Hervé Dumaz nieder. Die Motive der jungen Frau sind unbekannt, ebenso die Herkunft der außergewöhnlichen Diamanten, die sie an dem Tag verkaufen wollte.
     
    Um neun Uhr am Morgen des 27. September 1991 ist an der Beurs van Diamanthandel alles wie immer. Die Geschäftsräume werden aufgeschlossen, die üblichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen, und die ersten >Verkäufer< treffen ein. Hier und an den anderen Börsen von Antwerpen werden zwanzig Prozent der Diamantenproduktion verkauft, die nicht über den traditionellen Handelsweg unter der Kontrolle des südafrikanischen Imperiums De Beers laufen.
    Gegen 10.30 Uhr erscheint eine große blonde Frau im ersten Stock und betritt den Hauptraum; sie trägt eine lederne Handtasche bei sich. Sie geht zum Schreibtisch eines Händlers und legt ihm einen weißen Umschlag vor, in dem mehrere Dutzend Diamanten enthalten sind, ziemlich klein, aber von außergewöhnlicher Reinheit. Der Käufer, der ebenfalls israelischer Herkunft ist (sein Name ist der Redaktion bekannt), kennt die junge Frau bereits. Seit einer Woche kommt sie alle zwei Tage, um jedesmal dieselbe Anzahl von Diamanten zu verkaufen, die immer von hoher Qualität sind.
    Doch heute tritt eine andere Person dazwischen. Ein etwa dreißigjähriger Mann nähert sich der Frau und flüstert ihr etwas ins Ohr. Sofort nimmt sie eine Automatikpistole aus ihrer Handtasche, dreht sich um und schießt, ohne zu zögern, dem Mann in die Stirn. Er bricht tot zusammen.
    Die junge Frau versucht zu flüchten, wobei sie die herbeigeeilten Wächter mit der Waffe bedroht. Rückwärts gehend, in aller Ruhe, entweicht sie, aber sie kennt nicht das raffinierte Räderwerk der Sicherheit an der Börse. Als sie in die Halle im ersten Stock kommt, in der sich die Aufzüge befinden, heben sich Panzerglasscheiben aus dem Boden und versperren sämtliche Ausgänge. Die Frau sitzt in der Falle. Wie in solchen Fällen üblich, wird sie aufgefordert, ihre Waffe fallen zu lassen und sich zu ergeben. Sie gehorcht dem Befehl. Belgische Polizisten, die über die Aufzüge eingedrungen sind, überwältigen sie sofort.
    Der Sicherheitsdienst der Beurs van Diamanthandel und die belgische Polizei, darunter mehrere Spezialisten für Diamantenschmuggel, sehen sich das Videoband der Mordszene an, aber niemand begreift den Grund dieses erschütternden Vorfalls. Die Identitäten der beteiligten Personen stürzen die Polizei in zusätzliche Verwirrung. Das Opfer ist Schweizer und Inspektor der Eidgenössischen Polizei mit Namen Hervé Dumaz, zweiunddreißig Jahre alt und am Kommissariat von Montreux tätig. Er hatte einen zweiwöchigen Urlaub eingereicht. Was tat er in Antwerpen? Und warum hatte er nicht den Sicherheitsdienst der Börse benachrichtigt, wenn er vorhatte, die junge Frau aus irgendeinem Grund zu verhaften? Lauter Rätsel, die noch verstärkt werden durch die Persönlichkeit der Mörderin. Sarah Gabbor, achtundzwanzig, lebte in einem Kibbuz in der Gegend von Bet She’an in Galiläa, nahe der jordanischen Grenze. Derzeit weiß man noch nicht, wie die Frau, die in einer Fischzucht arbeitete, zu einem derartigen Vermögen in Diamanten gekommen ist.
    Mit einer wütenden Geste zerknüllte ich die Zeitung. Schon wieder war Gewalt im Spiel. Schon wieder floß Blut. Trotz meiner Empfehlungen hatte Dumaz seine Rolle nach seiner Weise spielen wollen. Er hatte Sarah bedroht wie ein ungeschickter Anfänger, so daß

Weitere Kostenlose Bücher