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Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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ich damit gerechnet hatte. Derselbe Typ wie Gomun. Eine so exakte Übereinstimmung konnte kein Zufall sein.
    »Ist das ein besonders seltener Typ, oder hat er vielleicht bestimmte Eigenheiten?«
    »Keine Ahnung. Das ist nicht mein Fachgebiet. Außerdem gibt es unendlich viele verschiedene HLA-Phänotypen, und ich sehe nicht .«
    »Haben Sie Zugang zu einem Faxgerät?«
    »Ja. Ich kenne den Direktor eines Zentrums, der .«
    »Könnten Sie mir Ihren Autopsiebericht heute noch per Fax zuschicken?«
    »Ja, sicher. Was ist denn los?«
    »Gleich, schreiben Sie sich nur zuerst meine Nummer auf, bitte.«
    Ich gab ihm meine Telefon- und Faxnummer durch, dann fuhr ich fort: »Also, Doktor Djuric. Ich hab’ herausgefunden, daß irgendwo, quer durch die ganze Welt, ein Chirurg unterwegs ist, der Herzen stiehlt. In Afrika war ich selbst bei der Obduzierung eines kleinen Mädchens dabei, und ich kann Ihnen versichern, daß ihre Leiche dem Körper von Rajko in nichts nachstand. Dieser Mann, dieser Arzt, ist ein perverses Monster, ein Untier, ein Wahnsinniger, aber ich bin überzeugt, daß er nach irgendeiner geheimen Logik vorgeht, verstehen Sie?«
    »Wissen Sie, wer er ist?« tönte Djurics tiefe Stimme durch die Leitung.
    »Nein. Aber Sie hatten recht: er ist ein ganz außergewöhnlicher Chirurg.«
    »Welcher Nationalität?« »Weiß ich nicht, vielleicht ist er Franzose. Jedenfalls spricht er französisch.«
    Djuric schien nachzudenken. Nach einer Weile sagte er: »Was haben Sie vor?«
    »Weitersuchen. Ich rechne jeden Moment mit entscheidenden Neuigkeiten.«
    »Die Polizei haben Sie nicht verständigt?«
    »Nein, noch nicht.«
    »Antioche, ich will Sie etwas fragen.«
    »Nämlich?«
    In der Leitung rauschte und krachte es, und Djuric hob die Stimme. »Als Sie mich in Sofia besucht haben, sagte ich Ihnen, daß mich Ihr Gesicht an jemanden erinnert.«
    Ich antwortete nicht. Djuric fuhr fort: »Ich habe über diese Ähnlichkeit lange nachgegrübelt, und ich glaube, Sie erinnern mich an einen Arzt, den ich in Paris kannte. Ist ein Mitglied Ihrer Familie Mediziner?«
    »Mein Vater war Arzt.«
    »Heißt er ebenfalls Antioche?«
    »Natürlich. Djuric, ich hab’ nicht mehr viel Zeit ...«
    Djuric fuhr unbeirrt fort: »Hat er in den sechziger Jahren in Paris praktiziert?«
    Mir schlug das Herz bis zum Hals. Wie immer rief die Erwähnung meines Vaters eine dumpfe Beklemmung in mir wach.
    »Nein. Mein Vater hat immer in Afrika gearbeitet.«
    Djurics Stimme klang jetzt sehr fern: »Lebt er noch? Sagen Sie, lebt Ihr Vater noch?«
    Wieder krachte es in der Leitung, und ich antwortete nur noch abgehackt: »Er ist umgekommen am 31. Dezember 1965. Bei einem Feuer. Mit meiner Mutter, meinem Bruder. Tot. Alle drei.«
    »Sind bei diesem Feuer auch Ihre Hände verbrannt?«
    Reflexartig schlug ich mit der flachen Hand auf das Telefon und brach die Verbindung ab. Jedesmal, wenn von meinen Eltern die Rede war, überkam mich eine unkontrollierbare Angst, ein unerklärliches Schaudern. Und Djurics Fragen verstörten mich, ich verstand sie nicht. Wie hätte er meinen Vater in Paris kennenlernen können? Gewiß, er hatte in der Rue des Saints-Peres studiert, aber viel später - in den sechziger Jahren war er noch ein Kind gewesen.
    Halb zwölf. Ich nahm ein Taxi und ließ mich zum Flughafen fahren. Während des Fluges durchforstete ich weitere Tageszeitungen. Den meisten war die Diamantenaffäre zwar noch einen kurzen Artikel wert, sie berichteten jedoch nichts Neues. Statt dessen ging es um die diplomatischen Schwierigkeiten bei einem solchen Fall - dem Mord an einem Schweizer Polizisten in einer belgischen Stadt, begangen durch eine Israelin -, der Schweizer und der israelische Botschafter wurden zitiert, die ihrer >Betroffenheit Ausdruck verliehen und ihrem >Willen, die Gründe dieses Dramas so rasch wie möglich aufzuklären.<
    In Lausanne nahm ich mir einen Leihwagen und fuhr nach Montreux. Das Unbehagen, das Djurics Fragen in mir ausgelöst hatten, ließ mich nicht mehr los. Die Verworrenheit der Situation bedrückte mich, gleichzeitig aber fürchtete ich mich vor der Dringlichkeit, mit der etwas geschehen mußte: so rasch wie möglich. Und dazwischen holten mich immer wieder die sehr gemischten Erinnerungen aus Afrika ein. Die strahlende Nacht mit Tina, das grüne Dickicht auf dem Weg nach Bayanga, das Gleißen der Ebene - und Gomuns Leiche, das Gesicht von Otto Kiefer, die schrecklichen Schicksale von Max Böhm, seinem Sohn, Schwester Pascale

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