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Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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auszuhorchen?«
    »Nein, Sarah. Im Gegenteil. Man hat mir erlaubt, dich zu besuchen, weil ich versprochen habe, ihnen Informationen zu liefern, die zu deinen Gunsten sprechen.«
    »Was wirst du ihnen sagen?«
    »Alles, was beweist, daß du an dem Schmugglerring nicht beteiligt warst.«
    Gleichgültig zuckte sie die Achseln.
    »Sarah, ich bin gekommen, um dich zu sehen. Aber auch um etwas zu erfahren. Du schuldest mir die Wahrheit. Sie kann uns retten, dich und mich.«
    Sie brach in ein Hohngelächter aus und warf mir einen eisigen Blick zu. Sehr gemächlich zog sie ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche, zündete sich eine an und begann zu sprechen.
    »An allem, was passiert ist, bist du schuld, Louis. Das kannst du dir hinter die Ohren schreiben. An allem, hörst du? Am letzten Abend in Bet She’an hast du von den Ringen der Störche gesprochen und mich an etwas erinnert, worauf ich erst nicht weiter geachtet hatte. Nach Idos Tod habe ich seine Sachen aufgeräumt. Sein Zimmer, aber auch sein Labor, wie er dieses Loch genannt hat, in dem er seine Störche versorgte. Dabei habe ich in einem Sack Hunderte von Metallringen gefunden, die blutverschmiert waren. Zuerst war mir das Zeug nur widerlich, aber um seines Andenkens willen und aus Respekt vor seiner Vogelbegeisterung ließ ich den Sack, wo er war, in seinem Verschlag. Und vergaß ihn dann.
    Viel später, als du mir deine Theorie von irgendwelchen Botschaften in den Ringen erklärt hast, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Idos Sack kam mir wieder in den Sinn, und auf einmal war mir klar, daß er genau das, was du gesucht hast, entdeckt hatte. Deswegen hat er sein Waffenarsenal derart aufgerüstet und war tagelang verschwunden. Offensichtlich hat er die Störche erschossen und die Ringe an sich genommen.
    An dem Abend hab’ ich beschlossen, dir nichts zu sagen. Ich habe geduldig bis zum Morgen gewartet, um dich nicht argwöhnisch zu machen. Als du dann unterwegs zum Ben- Gurion warst, bin ich in die Hütte gegangen und habe die Dinger ausgegraben. Ich habe einen Ring mit der Zange aufgebogen und meinen Augen nicht getraut - denn tatsächlich fiel mir ein Diamant in die Hand. Im nächsten Ring waren gleich mehrere kleinere Steine. Zehn oder mehr Ringe habe ich geöffnet, und jedesmal fand ich Diamanten. Ein Wunder, das sich endlos wiederholte. In dem Sack waren mindestens tausend Ringe - ich schwör dir, ich hab’ vor Freude gebrüllt!«
    »Und dann?«
    »Na, jetzt war ich reich! Jetzt hatte ich die Möglichkeit und die Mittel, um abzuhauen, die Fische zu vergessen, den Dreck und den Kibbuz. Aber erst wollte ich sicher sein. Ich packte also eine Reisetasche und ein paar Waffen und fuhr mit dem Bus nach Netanya; das ist die Hauptstadt der Diamantenschleifer.«
    »Ich weiß, bis dorthin bin ich deiner Spur gefolgt.« »Wie du siehst, hat es nicht viel geholfen.« Ich antwortete nicht, und Sarah fuhr fort: »Ich habe dort einen Edelsteinschleifer gefunden, der mir einen Diamanten abgekauft hat. Der Mann hat mich natürlich übers Ohr gehauen, trotzdem ist es ihm nicht gelungen, mir die außergewöhnliche Qualität des Steins zu verheimlichen. Der Ärmste! Seine Aufregung war ihm vom Gesicht abzulesen. Spätestens da war mir klar, daß ich ein Vermögen besaß. Im ersten Moment war ich so euphorisch, daß mir alles gleichgültig war, ich dachte nicht mehr an die Situation, auch nicht an die Irren, die mit Hilfe von Störchen Edelsteine schmuggeln. Ich wußte nur eins: die Kerle hatten meinen Bruder umgebracht und suchten immer noch nach den Diamanten. Mit einem Leihwagen bin ich zum Ben-Gurion gefahren und mit der ersten Maschine nach Europa geflogen. Ich bin noch weiter gereist und habe die Diamanten an einem sicheren Ort untergebracht.«
    »Und dann?«
    »Eine Woche habe ich auf die Weise verbracht. Inzwischen wußte ich, daß die unabhängigen Diamantenproduzenten in der Regel ihre Ausbeute in Antwerpen verkaufen. Dorthin mußte ich also, und ich mußte überlegt vorgehen. Diskret und schnell.«
    »Und du ... du warst immer bewaffnet?«
    Über Sarahs Gesicht huschte ein Lächeln. Mit ausgestrecktem Zeigefinger zielte sie auf mich und spannte mit dem Daumen eine imaginäre Pistole. »Meine treue Glock ist mir überallhin gefolgt«, sagte sie.
    Einen kurzen Augenblick lang dachte ich: Sarah ist verrückt.
    »Ich beschloß, alles in Antwerpen zu verschachern«, fuhr sie fort, »in kleinen Tüten mit je zehn bis fünfzehn Steinen, alle zwei Tage. Am ersten Tag

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