Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
abseits. Ohne weitere Umschweife faßte der Österreicher zusammen: »Also gut. Laut Herrn Rechtsanwalt Delter wünschen Sie aus freien Stücken eine Aussage zu machen. Offenbar sind Ihnen Details bekannt, die uns in dem Fall Aufklärung verschaffen und die Fräulein Sarah Gabbor zur Last gelegten Anklagepunkte möglicherweise verringern können. Ist das zutreffend?«
    Rickiel sprach Französisch ohne eine Spur von Akzent.
    »Absolut«, antwortete ich.
    Der Polizist schwieg und sah mich an. Er hatte den Kopf zwischen die Schultern gezogen und die Arme auf der Schreibtischplatte verschränkt. In seinen Brillengläsern spiegelten sich die Bildschirme, vierfach, wie milchige Fensterluken. Nach einer Weile begann er wieder zu reden: »Ich habe mir Ihre Akte angesehen, Monsieur Antioche. Ihr >Profil< ist, um es so auszudrücken, zumindest atypisch. Sie sagen, Sie seien Waise. Sie sind nicht verheiratet und leben allein. Sie sind zweiunddreißig Jahre alt, haben aber noch nie irgendeine berufliche Tätigkeit ausgeübt. Trotzdem leben Sie im Wohlstand und bewohnen ein Appartement am Boulevard Raspail in Paris. Diesen Komfort erklären Sie durch die besondere Aufmerksamkeit, die Ihre Adoptiveltern Nelly und Georges Braesler, reiche Grundbesitzer in der Auvergne, Ihnen angedeihen lassen. Sie behaupten außerdem, Sie führten ein zurückgezogenes und seßhaftes Leben. Tatsache ist, daß Sie soeben von einer Weltreise zurückkehren, die ziemlich ereignisreich gewesen zu sein scheint. Manche Ihrer Angaben habe ich überprüft. Insbesondere findet sich Ihre Spur in Israel und in Zentralafrika, und dies unter sehr ungewöhnlichen Begleitumständen. Was mir jetzt, wo ich Sie sehe, außerdem auffällt: Sie kleiden sich wie ein Stutzer, haben aber eine Narbe im Gesicht, die noch frisch ist und nach einer größeren Schlägerei aussieht. Von Ihren Händen rede ich gar nicht. Wer sind Sie eigentlich, Monsieur Antioche?«
    »Ein Reisender, der sich in einen Alptraum verirrt hat.«
    »Was wissen Sie über die Angelegenheit?«
    »Alles. Oder fast alles.«
    Rickiel schnaubte belustigt. »Klingt vielversprechend. Können Sie uns beispielsweise die Herkunft der Diamanten erklären, die sich im Besitz von Fräulein Sarah Gabbor befanden? Können Sie uns sagen, weshalb Hervé Dumaz Anstalten traf, die junge Frau zu verhaften, ohne den Sicherheitsdienst der Beurs van Diamanthandel zu benachrichtigen?«
    »Ja.«
    »Sehr gut. Wir hören Sie also an und .«
    »Warten Sie«, unterbrach ich ihn. »Ich sage hier ohne Anwalt oder sonst irgendeinen Rechtsschutz aus, außerdem in einem fremden Land. Welche Garantien können Sie mir anbieten?«
    Rickiel lachte erneut. Seine Augen hinter den Monitoren blieben kalt und reglos.
    »Sie sprechen wie jemand, der sich schuldig gemacht hat, Monsieur Antioche. Es hängt natürlich davon ab, wie weit Sie in die Angelegenheit verwickelt sind. Aber ich kann Ihnen versichern, daß man Sie als Zeuge nicht schikanieren oder mit bürokratischen Maßnahmen behelligen wird. Bei der Interpol sind wir daran gewöhnt, grenzüberschreitende und interkulturelle Fälle zu bearbeiten. Kompliziert wird die Lage erst später, je nachdem, welches Land betroffen ist. Also reden Sie, Antioche, wir sortieren dann schon. Vorerst hören wir Ihnen nur zu, ganz informell. Niemand macht sich Notizen oder nimmt Ihre Worte auf Tonband auf. Niemand schreibt Ihren Namen, in welchem Zusammenhang auch immer, in die Akte. Erst anschließend - und abhängig vom Gewicht Ihrer Informationen - werde ich Sie bitten, Ihre Aussage gegenüber anderen Personen unserer Organisation zu wiederholen, und Sie werden offizieller Zeuge. In jedem Fall aber garantiere ich Ihnen, daß Sie, sofern Sie niemanden umgebracht oder bestohlen haben, Belgien als freier Mann verlassen können. Reicht Ihnen das?«
    Ich schluckte und zog im Geist einen Strich unter meine persönlichen Verbrechen. Dann berichtete ich in knappen Worten die wichtigsten Ereignisse der vergangenen zwei Monate. Ich erzählte alles, wobei ich nach und nach aus meiner Reisetasche sämtliche Gegenstände hervorholte, die meine Aussage belegten: Max Böhms Karteikarten, Rajkos kleines Notizheft, den Autopsiebericht von Dr. Djuric, den Diamanten, den ich von Wilm in Ben-Gurion bekommen hatte, den Totenschein von Philipp Böhm, die von Schwester Pascale unterzeichnete Bestätigung, die Kassette mit Otto Kiefers >Geständnis< ... Und statt eines Nachworts legte ich die allerersten Hinweise auf den Tisch,

Weitere Kostenlose Bücher