Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
getan werden muß, und zwar absolut dringend: den Schweinehund erwischen und ihm das Handwerk legen, bevor er wieder tötet für seine abscheulichen Experimente.«
    »Was dringend ist und was nicht, lassen Sie am besten mich beurteilen«, gab Rickiel zurück. »Übernachten Sie heute in Brüssel. Meine Leute haben im Hotel Wepler ein Zimmer für Sie reserviert - es ist nicht der größte Luxus, aber recht komfortabel. Wir sehen uns dann morgen.«
    Ich schlug mit der Faust auf seinen Schreibtisch. Delter sprang auf, aber Rickiel zuckte nicht mit der Wimper.
    »Rickiel!« brüllte ich. »Da läuft ein Monster frei herum! Es tötet und foltert Kinder. Geben Sie Suchmeldungen heraus, schalten Sie Ihre Nachrichtenagenturen ein, zielen Sie ihr Datennetz zu Rate - Sie können Tausende von Fakten überprüfen, sich mit der Polizei auf der ganzen Welt in Verbindung setzen! Aber tun Sie was, in Gottes Namen!«
    »Morgen«, murmelte der Polizist. »Morgen. Bestehen Sie nicht drauf.«
    Ich stürmte aus dem Zimmer und warf die Tür hinter mir zu.

51
     
    Ein paar Stunden später saß ich in meinem Hotelzimmer und kaute noch immer an meiner Wut. Ich hatte mich übers Ohr hauen lassen - in mehrerlei Hinsicht. Ich hatte meine Informationen der IKPO ausgeliefert, der internationalen kriminalpolizeilichen Organisation, wie sie sich nannte, aber im Gegenzug praktisch nichts dafür bekommen - jedenfalls nichts, was mich in meiner Ermittlung weiterbrachte. Mein einziger Trost war, daß meine Aussage sich für Sarah positiv auswirken würde.
    Was im Augenblick ein schwacher Trost war. Abgesehen davon, bot der Abend nur noch Sackgassen. Auf meinem Anrufbeantworter zu Hause waren keine Nachrichten, und als ich bei Dr. Warel anrief, meldete sich niemand.
    Um zwanzig Uhr dreißig läutete das Telefon. Ich riß den Hörer ans Ohr und hörte eine Stimme, mit der ich niemals gerechnet hätte.
    »Antioche? Hier ist Rickiel. Ich würde gern mit Ihnen reden.« »Wann?«
    »Jetzt gleich. Ich bin unten in der Hotelbar.«
    Die Bar des Wepler war mit einem Teppichboden in Altrosa ausgelegt und wirkte eher wie ein Alkoven, der als Rahmen obskurer Vergnügungen vorgesehen war. Ich entdeckte Simon Rickiel in einem Ledersessel, eingehüllt in seinen voluminösen Pullover; vor sich hatte er ein Glas Whisky. Mit Bedacht verspeiste er eine Handvoll Oliven. Ich fragte mich, ob er noch immer seine Glock mit sich herumtrug - und ob er sie ebenso schnell zückte wie ich.
    »Setzen Sie sich, Antioche. Und hören Sie auf, den harten Burschen zu spielen. Sie haben sich schon zur Genüge unter Beweis gestellt.«
    Ich setzte mich und bestellte chinesischen Tee. Eine Zeitlang beobachtete ich Rickiel, sein Gesicht, das zur Hälfte von den dicken, konvexen Brillengläsern verschlungen wurde, die riesigen, starren Augen.
    »Ich bin gekommen, um Ihnen noch einmal zu gratulieren.«
    »Das sagen Sie jetzt! Sie machen sich über mich lustig, wie?«
    »Nein, keineswegs. Wissen Sie, ich habe eine gewisse Erfahrung mit der Kriminalität und weiß sehr wohl, was Ihre Ermittlungen wert sind. Sie haben gute Arbeit geleistet, Antioche. Wirklich. Mein Einstellungsangebot vorhin war kein Witz.«
    »Trotzdem sind Sie aber nicht deswegen gekommen, oder?«
    »Nein. Mir war klar, wie enttäuscht Sie heute nachmittag waren. Sie denken, ich nehme Ihren Bericht über einen kriminellen Chirurgen nicht ernst genug.«
    »So ist es.«
    »Mehr konnte ich nicht tun. Jedenfalls nicht vor Delter.«
    »Was hat der damit zu tun?«
    »Eben: nichts. Dieser Aspekt geht ihn nichts an.«
    Der Ober brachte meinen Tee. Der schwere, herbe Duft ließ mich auf einmal an den Humus im Urwald denken.
    »Sie glauben also, was ich Ihnen erzählt habe?«
    »Ja.« Rickiel pickte sich mit dem Zahnstocher eine Olive aus der Schale. »Aber wie ich Ihnen schon sagte, muß diesbezüglich noch einiges an Ermittlungsarbeit geleistet werden. Außerdem müssen Sie Ihre Karten offenlegen.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Sie haben mir nicht alles gesagt. Fakten wie diese entdeckt man nicht einfach, ohne dabei einiges an Staub aufzuwirbeln.«
    Ein Schluck Tee gab mir Gelegenheit, mein Unbehagen zu kaschieren. Ich spielte den Unschuldigen: »Ich kann Ihnen nicht folgen, Rickiel.«
    »Na gut, ich will’s Ihnen erklären. Heute nachmittag war die Rede von Max Böhm, Otto Kiefer, Niels van Dötten. Unbestreitbar Kriminelle, sicher; andererseits aber über Sechzig und vergleichsweise harmlos, wie Sie zugeben werden. Diese Männer

Weitere Kostenlose Bücher