Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
die ich in der Schweiz gefunden hatte: Max Böhms Fotografien und die Röntgenaufnahme seines Herzens mit der kleinen Titankapsel.
    Mein Bericht dauerte weit über eine Stunde. Ich bemühte mich, die zwei unterschiedlichen kriminellen Ebenen - den Diamantenraub und den Organdieb stahl - und die Verknüpfungen zwischen den beiden Netzen deutlich herauszustellen. Auch legte ich großen Wert darauf, die Rolle jedes einzelnen Beteiligten genau zu beschreiben, insbesondere die von Sarah, die sich mehr oder weniger gegen ihren Willen in das Abenteuer hatte hineinziehen lassen, und von Hervé Dumaz, dem korrupten Bullen, der mich ausgenutzt hatte und Sarah nach Wiedererlangung der Diamanten sicher kaltblütig umgebracht hätte.
    Ich verstummte und wartete auf die Reaktionen meiner beiden Zuhörer. Nach meiner langen Rede legte sich Schweigen über das Zimmer. Rickiels gläserner Blick musterte meine Beweisstücke, die auf dem Schreibtisch aufgereiht waren. Auf seinen Lippen war ein Lächeln erstarrt. Delter hingegen saß reglos, nur sein Kiefer malmte. Schließlich sagte Rickiel: »Phantastisch. Ihre Geschichte ist einfach phantastisch.«
    Ich spürte, wie mir das Blut zu Kopf stieg. »Glauben Sie mir etwa nicht?« fragte ich.
    »Na, sagen wir zu achtzig Prozent. Und in Ihrem Bericht gibt es natürlich vieles, was nachgeprüft, wenn nicht hieb- und stichfest bewiesen werden muß. Das, was Sie Ihre >Beweise< nennen, ist durchaus relativ. Die Kritzeleien eines Zigeuners, die Schlußfolgerungen einer Missionsschwester, die keine Ärztin ist, ein einzelner Diamant - das sind eher magere Indizien als solide Beweise. Und was Ihre Kassette angeht, die werden wir uns natürlich anhören. Aber Sie wissen zweifellos, daß diese Art von Beweismaterial vor Gericht nicht zulässig ist. Bleibt noch die allfällige Zeugenaussage von Niels van Dötten Ihrem südafrikanischen Geologen.«
    Eine unwiderstehliche Lust kam mich an, diesem kleinen Bullen die Brille zu zerbrechen. Aber gleichzeitig bewunderte ich insgeheim die Kaltblütigkeit dieses Österreichers. Ein anderer Zuhörer wäre bei der Schilderung meiner Abenteuer erstarrt - aber Rickiel erwog und begutachtete nüchtern und sachlich jeden einzelnen Aspekt der Geschichte.
    »Jedenfalls danke ich Ihnen, Antioche«, setzte er nach einer kurzen Pause hinzu. »Sie erhellen zahlreiche Punkte, die uns schon eine ganze Weile zu schaffen machen. Der Mord an Dumaz hat uns nicht wirklich überrascht, denn wir vermuteten seit mindestens zwei Jahren einen illegalen Diamantenhandel und hatten triftige Gründe für unsere Annahme. Die Namen waren uns bekannt: Max Böhm, Hervé Dumaz, Otto Kiefer, Niels van Dötten. Wir kannten auch das Netz: das Dreieck Europa-Zentralafrika-Südafrika. Aber das Wesentliche hat uns gefehlt - die Kuriere, mit anderen Worten: die Beweise. Seit zwei Jahren überwachen wir die Akteure des Geschäfts und wußten, daß keiner von ihnen je persönlich der Route der Diamanten gefolgt ist. Dank Ihnen wissen wir heute, daß sie Vögel benutzt haben. Mag schon sein, daß sich das unwahrscheinlich anhört, aber glauben Sie mir, ich habe schon Verrückteres erlebt. Mein Kompliment, Antioche. Es fehlt Ihnen weder an Zähigkeit noch an Mut. Falls Ihnen die Störche eines Tages fad werden, wenden Sie sich unbedingt an mich: ich habe Arbeit für Sie.«
    Die jähe Wendung des Gesprächs machte mich sprachlos.
    »Und . ist das alles?«
    »Nein, natürlich nicht. Unsere Unterredung hat erst angefangen. Morgen werden wir das alles schriftlich festhalten. Der Untersuchungsrichter muß Sie ebenfalls anhören. Vielleicht können wir aufgrund Ihrer Aussage Sarah Gabbor bis zu ihrem Prozeß nach Israel zurückschicken - Sie machen sich keine Vorstellung, wie scharf die meisten Kriminellen darauf sind, ihre Strafe in ihrer Heimat abzubüßen. Wir verbringen unser Leben damit, Häftlinge auszuliefern. Soviel zu den Diamanten. Weitaus skeptischer bin ich, was Ihren mysteriösen Doktor angeht.«
    Mit brennenden Wangen sprang ich auf »Sie haben nichts begriffen, Rickiel!« rief ich erbost. »Den Schmugglerring gibt es nicht mehr - aus und vorbei, da läuft nichts mehr, und so eilig ist das jetzt nicht. Dagegen ist immer noch ein irrer Chirurg unterwegs und stiehlt Herzen auf der ganzen Welt! Und der Wahnsinnige hat irgendein Ziel, irgendein obskures, schreckliches Ziel, von dem ihn nichts abbringt. Das ist sicher. Er verfügt über alle Mittel, die er dafür braucht. Es gibt nur noch eins, was

Weitere Kostenlose Bücher