Der Flug der Stoerche
zweitwichtigste Land nach Panama auf der Route der Zugvögel< zu sein.
Unterdessen waren wir im Forschungslabor angelangt. Mit Hilfe einer Magnetkarte öffnete Lenfeld die Metalltür. Wir betraten eine Art Glaskäfig mit elektronischem Bedienfeld über einer riesigen Flugzeughalle. »Hier stellen wir die genauen Umstände jeder Kollision nach«, erklärte Lenfeld. »Mit einer Geschwindigkeit von über tausend Stundenkilometern schleudern wir Vogelkörper gegen unsere Prototypen und analysieren anschließend die Aufprallstellen, die Widerstände, die verursachten Schäden.«
»Echte Vögel?!«
Lenfeld stimmte ein donnerndes Gelächter an. »Hühner, mein Bester. Tote Hühner aus dem Supermarkt!«
Der nächste Raum stand voller Computer, auf deren Bildschirmen Zahlenreihen, gerasterte Landkarten, Kurven und Graphiken zu sehen waren. »Das hier ist unsere Forschungsabteilung«, kommentierte Lenfeld. »Hier berechnen wir die Flugbahnen sämtlicher Zugvogelarten. Wir verarbeiten Tausende von Informationen und Beobachtungen, die uns die birdwatchers liefern. Als Gegenleistung bieten wir ihnen gewisse Vorteile: kostenlose Unterkunft während ihres Aufenthalts, Zutrittsgenehmigungen für bestimmte strategische Orte zur Beobachtung von Vögeln .«
Diese Daten interessierten mich.
»Sie messen also ganz genau, wo die Störche auf ihrem Weg durch Israel vorbeikommen?«
Mit breitem Grinsen schritt Josse zu einem freien Computer. Wieder holte er die Karte von Israel auf den Bildschirm, und binnen Sekunden erschienen in gestrichelten Linien die Flugrouten. Relativ eng nebeneinander kreuzten sie sich alle in der Gegend von Bet She’an.
»Von jeder Spezies haben wir die exakten Routen sowie die Daten ihrer jährlichen Wanderschaft. Unsere Flugzeuge vermeiden diese Korridore so weit wie möglich. Hier, in Rot, sehen Sie die Hauptrouten der Störche. Wie Sie feststellen können, passieren sie alle ohne Ausnahme Bet She’an. Das sind.«
»Ich kenne Bet She’an. Sind Sie sicher, daß diese Routen sich nie ändern?«
»Hundertprozentig«, antwortete Lenfeld, immer noch brüllend. »Was Sie hier sehen, ist die Synthese aus Hunderten von Beobachtungen in einem Zeitraum von fünf Jahren.«
»Haben Sie auch quantitative Angaben, Statistiken über die Zahl der Vögel?«
»Selbstverständlich. Vierhundertfünfzigtausend Störche passieren Israel zweimal im Jahr, im Frühjahr und im Herbst. Wir wissen, in welchem Rhythmus. Wir kennen ihre Gewohnheiten bis ins Detail, die exakten Daten, die Konzentrationsperiodik, die Mittelwerte - alles, was Sie wollen. Die Störche funktionieren so präzise wie Uhren.«
»Interessieren Sie sich auch für beringte Störche aus Europa?«
»Nicht besonders. Warum?«
»Anscheinend sind bestimmte registrierte Störche in diesem Frühjahr unterwegs verlorengegangen.«
Josse Lenfeld musterte mich durch seine dunkle Brille; sein skeptischer Blick entging mir nicht, trotz der getönten Gläser. Doch er antwortete lediglich: »Das wußte ich nicht, aber den Zahlen nach zu urteilen . Sie sehen aus, als sei ihnen nicht gut, mein Freund. Kommen Sie, wir genehmigen uns eine Erfrischung.«
Ich folgte ihm durch ein Labyrinth von Gängen, die dank einer effizienten Klimaanlage eisgekühlt waren, zu einem Getränkeautomaten. Ich wählte ein kohlensäurehaltiges Mineralwasser und empfand die sprudelnde Frische als wohltuend. Dann ging die Besichtigung weiter.
Wir betraten ein biologisches Labor voller Strohmatten, Reagenzgläser und Mikroskope. Die hier beschäftigten Forscher trugen weiße Kittel und schienen sich mit bakteriologischer Kriegsführung zu beschäftigen.
»Wir befinden uns hier im Gehirn des Projekts«, erklärte Josse. »Wir untersuchen sämtliche Kollisionen mit Vögeln und ihre Auswirkungen auf unsere militärische Ausrüstung, bis ins letzte Detail. In diesem Raum werden die Trümmer unter dem Mikroskop geprüft, selbst der Überrest einer Feder und die geringste Blutspur, die Aufschluß geben über die Geschwindigkeit und die Wucht des Aufpralls. Hier werden die Gefahren eingeschätzt und die eigentlichen Sicherheitsvorkehrungen entworfen. Sie werden es nicht glauben, aber dieses Labor ist eine eigenständige Abteilung unserer Armee. Denn von einem gewissen Standpunkt aus sind die Zugvögel Feinde der israelischen Sache.«
»Nach dem Krieg der Sterne der Krieg der Vögel?« fragte ich und löste damit einen weiteren Heiterkeitsausbruch bei Josse Unfeld aus.
»Absolut! Ich kann Ihnen
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