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Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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»Sprich weiter, Joseph.«
    Er zögerte eine Weile, dann seufzte er.
    »Dank seiner geheimen Bündnisse mit dem Wald ist Ngakola wiederauferstanden . dank der Magie, der Pantherin, die unsere Kinder entführt .«
    Ich erinnerte mich an das, was Guillard gegenüber Dumaz geäußert hatte.
    M’Kontas Worte stimmten mit der Version des Ingenieurs überein. Die Sache war in der Tat unheimlich: eine Reise ins Herz der Finsternis, ein schreckliches Geheimnis unter sturzflutartigem Regen, und dieser teuflische Held, der weißhaarige Mann, der von den Toten auferstand.
    »Ich will selber in den Wald gehen und nach Böhms Spuren suchen.«
    »Das halte ich für eine schlechte Idee. Wir sind mitten in der Regenzeit. Die Diamantenminen werden heute von einem einzigen Mann geleitet, Otto Kiefer, und der ist ein Mörder. Du wirst tagelang marschieren und unnötige Risiken eingehen. Und das alles für nichts. Was willst du denn dort?«
    »Ich will herausfinden, was im August 1977 wirklich geschehen ist. Wie Max Böhm diesen Herzinfarkt überlebt hat. Die Geister scheinen mir keine ausreichende Erklärung.«
    »Ganz schlecht. Wie willst du’s denn anstellen, wie willst du zurechtkommen?«
    »Ich werde einen Bogen um die Minen machen und bei Schwester Pascale um Unterkunft bitten.«
    »Schwester Pascale? Sie ist kaum liebenswürdiger als Kiefer.«
    »Ich habe von einem Pygmäenlager namens Zoko gehört, wo ich mich hoffentlich niederlassen kann. Von dort aus werde ich die Runde durch die Minen machen und die Männer, die bereits 1977 im Sumpf gearbeitet haben, unauffällig ausfragen.«
    Joseph schüttelte mehrmals unwillig den Kopf, dann schenkte er sich eine letzte Tasse Kaffee ein. Ich sah auf die Uhr: es war nach elf. Es war Sonntag, und ich hatte für den Rest des Tages nicht das geringste vor.
    »Joseph«, fragte ich, »kennst du jemanden in der französischen Klinik?«
    »Ein Vetter von mir arbeitet dort.«
    »Kann man jetzt hingehen?«
    »Jetzt?« M’Konta schlürfte bedächtig seinen Kaffee. »Ich muß meine Familie bei Kilometer fünf besuchen und .«
    »Wieviel?«
    »Am besten zehntausend.«
    Ich fluchte lächelnd, dann steckte ich ihm das Geld in die Hemdtasche.
    M’Korita zwinkerte mir zu, dann stellte er seine Tasse ab und sagte: »Wir sind schon unterwegs, Chef.«

33
     
    Die >Clinique de France< lag am Ufer des Flusses, der in der gleißenden Sonne träge dahinfloß. Zwischen struppigem Buschwerk schimmerten die Wassermassen hindurch, schwarz, schwer und reglos, wie zähflüssiger Sirup, der die Fischer in ihren Barken in die Tiefe zieht und verschlingt. Wir folgten der Böschung auf demselben Weg, den ich am Abend zuvor gegangen war, einer von pastellfarbenen Bäumen gesäumten Piste. Rechts ragten die großen Gebäude der Ministerien auf, ockerfarben, rosa und rot; links, gleich neben dem Fluß, kauerten hölzerne Baracken im Gebüsch, die Verkaufsstände für Obst, Maniok und Kurzwaren aller Art, die jetzt verlassen waren. Alles war ruhig, selbst der flimmernde Staub hatte sich gelegt. Es war Sonntag, und wie überall auf der Welt war auch in Bangui dieser Tag verflucht.
    Endlich tauchte die Klinik auf, ein zweistöckiger, würfelförmiger Block in der Farbe des Verfalls, im Kolonialstil mit steinernen Baikonen und durchbrochenen Ornamenten aus weißlichem Gips geschmückt, aber zerfressen von Pflanzenwuchs und Laterit: die Klauen des Waldes und die rötlichen Staubwolken bestürmten die Mauern, und der Stein schien aufgequollen, wie vollgesogen von Feuchtigkeit.
    Wir betraten den Garten. An den Bäumen waren Chirurgenmäntel zum Trocknen aufgehängt; grelle scharlachrote Flecken zierten den Stoff. Joseph bemerkte meinen Gesichtsausdruck und kommentierte belustigt: »Das ist kein Blut, Chef, das ist Erde - Laterit. Sein Abdruck hält ewig.«
    Er trat zur Seite und ließ mich vorausgehen. Die Halle, roher Zement über einem verwüsteten Linoleumboden, war völlig leer. Joseph schlug mit der flachen Hand auf die Empfangstheke. Mehrere Minuten vergingen. Endlich erschien ein großer Kerl in einem weißen Kittel mit roten Flecken und verbeugte sich, die Hände gefaltet. »Was kann ich für Sie tun?« fragte er in salbungsvollem Ton.
    »Ist Alphonse M’Konta hier?« fragte Joseph.
    »Sonntags ist niemand hier.«
    »Und du, bist du niemand?«
    »Ich bin Jesus Bomongo.« Der Mann verbeugte sich abermals und setzte hinzu, zuckersüß: »Zu Ihren Diensten.«
    »Mein Freund würde gern einen Blick ins Archiv werfen, und

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