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Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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ich.
    »Gestohlen? Böhm? Nie im Leben . Ich sag’ dir doch: Der Mann war gerecht .«
    »Aber er hat Bokassas Machenschaften beaufsichtigt, nicht?«
    »Das hat er anders gesehen . Ihm ging es um Zucht und Ordnung, das war seine Leidenschaft . ihm kam es drauf an, daß die Lager reibungslos funktionierten . wer der Empfänger der Diamanten war, wer das Geld dafür kassiert hat, das war ihm schnurzegal . Hat ihn nicht interessiert. Das war Negergeklüngel in seinen Augen .«
    Hatte Max Böhm sich derart gut verstellt? Hatte er seinen Handel erst später begonnen?
    »Joseph«, sagte ich, »hast du gewußt, daß Max Böhm außerdem ein passionierter Vogelkundler war?«
    »Storchenkundler, meinst du!« Joseph fing an zu lachen, und seine ebenmäßigen Zähne waren ein hell blitzender Säbel in seinem schwarzen Gesicht. »Selbstverständlich, Chef! Ich hab’ ja mit ihm die Störche beobachtet!«
    »Wo?«
    »In Bayanga, westlich der Sicamine. Die Störche kommen zu Tausenden dorthin. Sie fressen Heuschrecken und Kleingetier.« Wieder lachte Joseph. »Aber die Bewohner von Bayanga wiederum fressen die Störche! Böhm hat das nicht ausgehalten. Er brachte Bokassa dazu, einen Nationalpark zu eröffnen. Mit einem Schlag wurden mehrere tausend Hektar Wald und Savanne für unberührbar erklärt. Ich persönlich hab’ solche Sachen nie kapiert. Der Wald gehört doch jedem! Wie auch immer, in Bayanga wurden die Elefanten, Gorillas, Waldantilopen und Gazellen unter Schutz gestellt. Und die Störche dazu.«
    Also war es dem Schweizer gelungen, seine Vögel zu schützen. Plante er bereits, sie für seine Geschäfte einzusetzen? Das Tauschgeschäft zumindest war klar: die Diamanten für Bokassa, die Vögel für Böhm.
    »Kanntest du Max Böhms Familie?«
    »Na ja, wie man’s nimmt ... Seine Frau bekam man nie zu Gesicht . immer krank . « Joseph grinste übers ganze Gesicht. »Typisch weiße Frau! ... Der Böhm-Sohn war anders . er kam manchmal mit uns . sagte aber kein Wort . er war ein Träumer . schlenderte durch den Wald . Ngakola gab sich alle Mühe, ihn zu erziehen . ließ ihn einen Jeep fahren ... zwang ihn zu jagen, die Schürfer zu beaufsichtigen ... er wollte einen Mann aus ihm machen . aber der weiße Junge hatte eine Heidenangst und blieb starr wie ein Stock . eine ziemliche Flasche . Außergewöhnlich war allerdings die Ähnlichkeit zwischen den beiden, Philipp Böhm und seinem Vater . sie sahen völlig gleich aus, Chef, das kannst du mir glauben . dieselbe breitschultrige Gestalt, derselbe Bürstenschnitt, dasselbe Melonengesicht . Aber Böhm hat seinen Sohn gehaßt .«
    »Warum?«
    »Weil der Junge ein Angsthase war. Und Böhm konnte Angsthasen nicht ausstehen.«
    »Wie meinst du das?«
    Joseph zögerte, dann beugte er sich zu mir und senkte die Stimme. »Sein Sohn war für ihn wie ein Spiegel, verstehst du?« murmelte er. »Er hat ihm seinen eigenen Schiß vorgeführt.«
    »Vorhin hast du gesagt, Böhm hätte sich vor niemandem gefürchtet.« »Vor niemandem, außer vor sich selber.«
    Ich starrte in M’Kontas feuchte Augen.
    »Sein Herz, Chef. Er hatte Angst, daß sein Herz ihn im Stich läßt«, sagte Joseph und legte die Hand auf die Brust. »Er hatte Angst, daß es dort drin nicht mehr funktioniert . er fühlte ständig seinen Puls ... Und in Bangui verkroch er sich dauernd in der Klinik .«
    »Es gibt eine Klinik in Bangui?«
    »Ein Krankenhaus ausschließlich für Weiße. Die Clinique de France.«
    »Existiert sie noch?«
    »Ja, aber heute ist sie eine Klinik für Schwarze, und die Ärzte, die dort praktizieren, sind ebenfalls schwarz.«
    Ich stellte die entscheidende Frage: »Warst du bei Böhms letzter Expedition dabei?«
    »Nein. Ich hatte mich gerade in Bagandou niedergelassen. Ich ging nicht mehr in den Wald.«
    »Aber weißt du vielleicht was darüber?«
    »Bloß das, was man so gehört hat. In M’Baiki ist diese Exkursion legendär geworden. Man weiß noch ihren Codenamen: PR 154 - nach der Bezeichnung der Parzelle, die sich die Schürfer vornehmen wollten.«
    »Wo liegt die?«
    »Sehr weit jenseits von Zoko . Hinter der Grenze, schon im Kongo .«
    »Und dann?«
    »Unterwegs hat Ngakola ein Telegramm bekommen, ein Pygmäe hat es gebracht . Mit der Nachricht vom Tod seiner Frau . Böhm hat es auf die Weise erfahren . sein Herz hat nicht mehr mitgemacht . er ist umgefallen .«
    »Sprich weiter .«
    Joseph schnitt jetzt eine so heftige Grimasse, daß er beinahe die Zähne fletschte. Ich wiederholte:

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