Der Flug des Falken
Koordinaten von der Kartenanzeige des Compblocks ab, den er um das kräftige, behaarte Handgelenk geschnallt trug. Das Gerät berechnete seine Position mit Hilfe einer Kombinati-on aus Inertialkompass und der Analyse bekannter planetarer Magnetfelder. Unter den gegebenen Umständen war es nicht ratsam, dass der Herzog von Skye seine Position ununterbrochen für jeden signalisierte, der über die frei verfügbare Ausrüstung und das kaum schwieriger zu erlangende Wissen verfügte, das Satellitennavigationssystem zu knacken. »Schicken Sie einen Transporthubschrauber - für mich und mein Pferd. Ich kehre sofort zum Präfektu-ratsgelände zurück.«
»Sir?«, fragte die Stimme nach. »Darf ich Euer Gnaden daran erinnern, dass die Countess erst in...«
»Ich weiß«, erwiderte er knapp, aber nicht unfreundlich. Er hatte kein Interesse daran, sich mit Kriechern zu umgeben, und zog Untergebene vor, die bereit waren, Eigeninitiative zu zeigen. Das beschützte sie zwar nicht vor seinen berüchtigten Wutausbrüchen, aber unter seiner Regierung hatte noch niemand wegen kompetenter Erfüllung seiner Pflicht einen Karriereknick, geschweige denn persönlichen Schaden erlitten. Im Gegenteil, nicht wenige hatten davon profitiert, dass der Herzog hastige Worte bereute. Denn es war nicht die Art des Lordgouverneurs, sich mit Worten zu entschuldigen.
Seltsamerweise hatte sich seine düstere Stimmung inzwischen gebessert. Er sah sich mit einem Rätsel konfrontiert. Und auch wenn kein Zweifel bestand, dass es sein Leben noch schwieriger machen würde, es erregte ihn doch.
»Was uns die Countess auch immer mitzuteilen hat, ich vermute, dass wir zwei ganze Tage benötigen werden, uns darauf vorzubereiten«, erklärte er. »Herzog aus.«
Er klappte das kleine Gerät zu und steckte es zurück. Dann beugte er sich über den Hals des Pferdes, das stehen geblieben war und purpurnes Büschelgras fraß. Er tätschelte ihm den Hals und murmelte ein paar Komplimente.
Die Lichtung war nur wenige Flugminuten entfernt. In New Aberdeen stand genau für solche Notfälle ständig ein Hubschrauber bereit.
Aber erst würde er zu einem Bach in der Nähe reiten, damit lago das kalte Wasser trinken konnte, das aus den bereits schneebedeckten Bergen kam. Das war das Mindeste, was er seinem Ross schuldete, nachdem er es so beansprucht hatte.
Jadefalken-Schlachtschiff Smaragdkralle, am Sprungpunkt des Whittington-Systems Lyranisches Commonwealth
29. April 3134
Blitzartig stürzte sich Malvina Hazen auf ihren Bruder. In ihrer Hand blitzte eine zwanzig Zentimeter lange Endostahlklinge.
Aleks' dunkles Haar flatterte, als er sich nach rechts drehte. Der Dolch verfehlte sein Gesicht um nicht mehr als einen Zentimeter. Seine große linke Hand zuckte auswärts und schien den Rücken seiner Schwester nur zu streifen.
Sie flog zwar nach vorne, aber indem sie das Kinn an die Brust drückte, machte sie aus dem eben noch unkontrollierten Flug eine halbe Rolle und hielt an, indem sie die bloßen Füße gegen die gepolsterte Schottwand des Gravdeck-Trainingsraums stemmte.
Augenblicklich sprang sie erneut, drehte sich in der Luft und landete Aleks gegenüber in der Hocke, den Dolch umgedreht, die Klinge flach am schlanken, weißen Unterarm anliegend. »Warum hast du das Messer nicht benutzt?«, fragte sie. »Du hattest freie Bahn.«
Er lachte und zuckte die breiten Schultern. »Dazu habe ich noch Zeit genug.«
Sie richtete sich auf und schnitt eine wütende Grimasse. Das ließ ihn aber nur noch lauter lachen. »Wenn du dein Gesicht so verziehst, siehst du aus wie ein wütendes Kind.«
Ihre Miene entspannte sich, als sie auf ihm zukam. Sie trug weiße Shorts und ein Sportoberteil. Er begnügte sich mit der Hose. Eigentlich schrieb das Jade-falken-Re-glement für Messerkampftraining mit scharfen Klingen Schutzbrillen und Suspensorien vor. Die Verluste durch ihre äußerst darwinistischen Gebräuche waren schon hoch genug, auch ohne dass jede realistische Übungseinheit Tote oder Schwerverletzte nach sich zog.
Wie für die beiden nicht weiter ungewöhnlich, ignorierten die Kogeschwister diese Regeln jedoch. Sie waren nicht für Galaxiscommander geschrieben. Außerdem hatten sie schon ihr ganzes Leben lang die Regeln missachtet, die ihnen nicht passten - und jede daraus folgende Herausforderung im Kreis der Gleichen ausgefochten.
Wobei Aleks keinen seiner Gegner getötet hatte, Malvina jedoch alle.
Sie wussten, dass sie einander bei diesem Training ebenbürtig
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