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Der Flug des Falken

Der Flug des Falken

Titel: Der Flug des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Milan
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waren. Wozu hätten sie auf die Vorteile verzichten sollen, die ihnen ein ungeschützter Übungskampf versprach? Beide waren sie der Ansicht, dass sie die Verletzungen verdient hatten, falls es ihnen nicht gelang, sie zu vermeiden.
    »Oder ist das wieder nur so ein Beispiel deines verdammten Mitgefühls?«, höhnte sie. »Falls ja, dann zeige ich dir, wie verfehlt es ist, jetzt ebenso wie sonst auch immer: Wenn du dich mir gegenüber zurückhältst, wie kann ich dann für den Ernstfall trainieren?«
    Jetzt war sie auf Armlänge herangekommen. Und sie glitt in den Angriff wie eine zuschlagende Schlange. Ihre Klinge zuckte vor, um ihm Seite und Bauch aufzuschlitzen.
    Stahl prallte auf Stahl. Sein Dolch war nur zehn Zentimeter lang, mit einer breiten, einschneidigen Klinge in Form eines rechtwinkligen Dreiecks. Eigentlich war es seine Reservewaffe. Im Feld, selbst im Cockpit der Weißen Lilie, trug er ein Dreißig-Zentimeter-Bowie-Messer, eher schon ein Kurzschwert oder eine Machete als einen Dolch. Das Ding wog ein volles Kilogramm, ein brutales Gewicht für das Messer eines normalen Menschen. Er konnte dieses Monstrum zwar fast so schnell einsetzen wie seine Fäuste, vertrat aber den Standpunkt, dass es bei einem Messerkampf vor allem auf Geschwindigkeit ankam. Außerdem erklärte er, dass sein Bowie ohnehin schon eine derart starke Waffe war, dass man eigentlich nicht auch noch mit ihr trainieren musste.
    Wie seine Koschwester hielt er das Messer mit der Spitze abwärts in der Hand. Er brauchte den Arm kaum im Ellbogen zu drehen, um ihren Angriff zu parieren. Gleichzeitig drehte er sich um seine senkrechte Körperachse und versetzte seiner Schwester einen harten Hieb mit dem Handballen aufs Brustbein, mitten zwischen ihre kleinen, aber runden Brüste. Dabei grinste er wie ein Wasserspeier, der etwas gewonnen hatte.
    Sie flog an die Wand zurück. Ihr langer, frostweißer Haarzopf schlug, einen Moment nachdem er ihren Körper getroffen hatte, gegen die Wandpolster. Es klatschte ebenso laut.
    Er war nicht so dumm, danach zu greifen. Sie ließ den Zopf bewusst frei schwingen - als Falle für unvorsichtige Gegner. Wie alle ihre Muskeln waren auch die im Nacken stark wie BattleMech-Myomer, und sie verfügte über die Beweglichkeit einer interstellaren Meisterin im Bodenturnen. Jeder, der glaubte, ihr auf diese Weise das Genick brechen oder sie anderweitig unter seine Kontrolle zwingen zu können, fand sich schnell zu seinem Unglück - wenn nicht zu seinem Tod - an sie gefesselt. Beim Messerkampf war es ein besonders dummes Manöver, da sie auf einen Griff nach ihren Haaren reagierte, indem sie auf ihren Gegner zu wirbelte und dann zustieß: etwa ein Dutzend Stiche in die empfindlichsten Stellen. Selbst mit ihrem Stoßmesser, von derselben Art wie das, mit dem ihr Bruder kämpfte, konnte sie einem Gegner die Bauchhöhle öffnen, bevor dieser auch nur Zeit genug hatte, einen Entsetzensschrei auszustoßen.
    »Es ist nur natürlich, für so ein zierliches, kleines Mädchen wie dich Mitleid zu empfinden«, spottete Aleks. »Selbst wenn es derart verschlagen ist.«
    Sie lachte. »Surat.«
    Wieder stieß sie sich von der Wand ab und setzte zum Angriff an. Diesmal schlich sie sich an wie eine Dschungelkatze, legte ihr ganzes unbedeutendes Gewicht auf den Standfuß, während sie den anderen ausstreckte, und verlagerte es erst wieder, als ihr Spielbein mit der ganzen Sohle aufgesetzt hatte. Sie kreiste auf seine linke Seite, fort von der kurzen Dolchklinge.
    »Du versuchst mich wütend zu machen«, stellte sie fest. »Gute Taktik, Kobruderherz - wenn man vergisst, wie viel Übung wir beide darin haben, unsere Wut zu schlucken!«
    Sie sprang nach rechts. Er hechtete mit kaum geringerer Geschwindigkeit vor, obwohl er locker doppelt so schwer war wie sie. Sein Arm flog als Gerade auf ihr Gesicht zu - aber der Schlag war darauf angelegt, ihr mit dem aus seiner Faust ragenden Dolch die Wange aufzuschlitzen.
    Ihr Angriff war eine Finte gewesen. In dem Augenblick, als er zustieß, drehte sie sich und sprang auf ihn zu. Ihr linker Arm streckte sich - nicht vollständig, der Ellbogen blieb leicht gebeugt -, die Finger der offenen Hand lagen auf einer imaginären Ebene in Höhe der Mittellinie ihres Körpers. Die Außenseite ihres Arms traf die Innenseite seines Messerarms knapp über dem Ellbogen, zu hoch, um sie mit einer Handgelenkdrehung zu treffen. Dafür war sein Dolch zu kurz. Gleichzeitig schlang sie beide Beine um seine schlanke

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