Der Flug des Falken
offizielle Handlung auf Skye besteht darin, einen Wolf zu verteidigen.
Sie hatte die aktuelle Lage auf dem Planeten so ausgedehnt studiert, wie das während der neun Flugtage zum solaren Sprungpunkt und dem weit kürzeren Not-schubhüpfer hierher nur möglich gewesen war. Sie wusste von der Schande des skyeschen Militärs, auf die Captain Martin angespielt hatte. Ebenso wie sie wusste, dass durch Devlin Stones Umsiedlungsprogramm eine beträchtliche Anzahl von Wolfsclan-nern nach Skye gekommen waren. Angesichts einer gewissen Ablehnung durch die einheimischen Skyeaner hatten sie als Puffer eine besonders starke Loyalität zur Republik entwickelt. Aber sie blieben Clan.
»Ich entschuldige mich für meine vorschnellen Schlüsse«, brummte McCorkle. »Ich werde nicht von Ihnen verlangen, über Ihren Clanschatten zu springen.«
»Danke. Aber die Entschuldigung ist unnötig. Sie haben instinktiv Ihre Ehre verteidigt, wie es jeder Krieger getan hätte. Aber bitte verstehen Sie doch: Ich bin zuerst Sphärenrepublikaner und Skyeaner, dann erst ein Clansmann.«
Der junge Offizier sagte es mit einem unverwechselbaren leisen Stolz, was gar nicht clangemäß war. Trotzdem nagte der Abscheu gegen alles in ihr, was Clan war, und gegen nichts stärker als gegen die Wölfe. Es waren die Stahlwölfe gewesen, die ihre Heimatwelt zweimal überfallen hatten. Die sie gezwungen hatten, ihren Familiensitz zu sprengen, um ihn nicht in deren Hände fallen zu lassen. Die Northwinds Hauptstadt Tara niedergebrannt und verwüstet hatten, unter massiven Verlusten der Zivilbevölkerung, die sich nicht rechtzeitig hatte in Sicherheit bringen können. Die Stahlwölfe, die sie und ihre Highlander erst Monate zuvor auf Terra nur um Haaresbreite zurückgeschlagen hatten.
Wie dieser leise und so verdammt gut aussehende junge Mann hatten sich auch die Stahlwölfe vor noch gar nicht so langer Zeit als loyale Bürger der Republik bezeichnet.
Sei nicht ungerecht, wies sie sich selbst streng zurecht. Er hatte seine Chance, zum Verräter zu werden, und er hat sie verstreichen lassen - ohne Zweifel zu seinem Schaden.
»Aber die da draußen protestieren gegen die Republik«, stellte Tara Bishop fest und deutete mit einer Kopfbewegung auf den brüllenden Mob.
Captain Martin nickte. »Sie fordern die Wiedervereinigung mit dem Commonwealth. Ihre Gegenwart regt sie besonders auf, weil sie das Gefühl haben: indem der Exarch die berühmteste Heldin der Republik hierher schickt, unterstreicht er den Machtanspruch der Republik und damit ihre Unterwerfung.«
Etwas in der Art und Betonung seiner Antwort ließ Tara amüsiert aufblicken. Jetzt erst bemerkte sie, dass er zwar mit einem nicht näher zu lokalisierenden Akzent Englisch sprach, einem Akzent, der dem ihren ähnelte, dass seine Muttersprache aber höchstwahrscheinlich Deutsch war.
»Wenigstens hassen Sie sie aus dem richtigen Grund, Countess«, murmelte Tara Bishop.
McCorkle starrte sie an. Er hatte sie in ihrem Rudeljäger in Aktion erlebt, ebenso wie seine Kommandeurin in ihr em persönlichen Tomahawk. Er wusste, dass er Bishop auf Grund ihrer Attraktivität und des häufig so frechen Auftretens ebenso wenig unterschätzen durfte wie die Countess wegen ihres blendenden Aussehens und ihrer zierlichen Statur. Und trotzdem hatte er gelegentlich Schwierigkeiten damit, wenn Kapitänin Bishop sich zu viel herausnahm.
Tara musste unwillkürlich an die einzige andere Gelegenheit denken, bei der sie den jetzt glücklicherweise verblassten, blutunterlaufenen Mordblick der alten terranischen Vorfahren McCorkles zuvor gesehen hatte: als er begriff, was Anastasia Kerensky der Stadt Tara angetan hatte.
Als sich der Schweber näherte, glitten die Tore des Raumhafengeländes auf. Als wäre dies ein Zeichen für sie gewesen, brach die Menge auf der anderen Seite der Straße durch den dünnen Kordon mit Schlagstöcken und Plastikschilden bewaffneter Milizionäre und auf die Fahrbahn. Jedoch - wie es schien
- nicht, um den Wagen anzuhalten. Stattdessen stürzten sie sich auf die steinerfreundlichen Demonstranten, die ihnen auch den Gefallen taten und ihrerseits durch die Absperrungen brachen, um sich mit Fäusten, Stiefeln und Plakaten zu prügeln.
»Okay«, stellte Tara Bishop fest. »Jetzt bin ich verwirrt.«
»Ausnahmsweise sind wir einer Meinung, Kapitänin«, bestätigte McCorkle. »Ohne Zweifel ein schlechtes Zeichen.«
Martin sprach leise in das Kommset auf seinem Kopf hinein. Fast musste er
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