Der Flug des Falken
Ereignisse auf Chaffee hatte sich schnell gelegt, als die Menschen erkannten, dass ein Clanangriff nicht unmittelbar bevorstand. Warum die Reaktion so heftig ausgefallen war und sich so augenblicklich gezeigt hatte, war immer noch ungeklärt. Herzog Gregorys Entgegenkommen hatte sich leider als ebenso kurzlebig erwiesen. Inzwischen war er wieder so frostig und unnahbar und sein Stab so abweisend unkooperativ wie zuvor. Es machte nicht den Eindruck, dass er Tara für irgendetwas die Schuld gab, aber seine Wut auf das ganze Universum hatte wieder die Oberhand gewonnen.
Taras Adjutantin war aufgesprungen und wandte sich zur Tür. Sie benahm sich wie ein Hund, der sein Frauchen beschützt. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte sie mit einer Diplomatie, die die Countess stolz machte - und die außerdem Bishops kämpferische Körpersprache ohne jeden Zweifel Lügen strafte.
Der Mann lächelte leicht verlegen, nickte kurz und trat ein. »Entschuldigen Sie, dass ich so hereinplatze. Ich bin auf der Suche nach Countess Tara Campbell.«
Wie der halbe Planet. Tara Bishop sagte es zwar nicht, aber Tara Campbell hörte es trotzdem durch den Nebel ihrer Benommenheit, der sich nur langsam verzog und ihr klare Gedanken gestattete. Manche wollten sie interviewen, andere heiraten, und eine beachtliche Mehrheit wollte sie geteert und gefedert zurück ins All jagen - und das war noch die freundlichste Option, die ihnen vorschwebte...
»Tut mir Leid, Sir.« Tara B. schüttelte den Kopf -und wieder war die Lüge offensichtlich. »Die Countess ist momentan äußerst beschäftigt. Bitte lassen Sie sich von ihrem Stab einen Termin geben.«
Tara C. erhaschte jetzt an ihrer, in den vollen Amazonenmodus verwandelten Freundin, die aussah, als wäre sie bereit, jedweden Drachen zu erschlagen, einen Blick auf den Mann. Sie hatte eine vage Erinnerung, dass die Stimme ihrer Adjutantin sie gefragt hatte, ob alles in Ordnung sei, kurz bevor er aufgetaucht war. Tara B. hatte sie gedrängt, sich mehr Schlaf und Ruhe zu gönnen, und die Countess wusste, sie hatte Recht. Aber das war nicht leicht, angesichts einer Gefahr, gegen die die Bedrohung
Northwinds durch die Stahlwölfe verblasste, auch wenn dies nicht ihre He im atwelt war.
Der Eindringling lächelte. Er war von durchschnittlichem Aussehen, mit asiatischem Einschlag, die dunklen Augen leicht schräg, schwarze Haare über einer hohen Stirn. Er war von mittlerer Größe und Statur, aber der Schnitt seines moderaten Geschäftsanzugs deutete auf den Versuch hin, einen Bauchansatz zu überspielen. Insgesamt wirkte er wie ein x-beliebiger Jedermann auf den Straßen irgendeiner Welt der Republik. Bis er lächelte.
»Ich habe wichtige Geschäfte mit der Countess«, stellte er entschuldigend fest.
Tara Bishop war drauf und dran, handgreiflich zu werden, aber Tara Campbell entwickelte trotz ihrer Müdigkeit Interesse. »Ruhig, Tara B.«, bemerkte sie. »Wenn er bis hierher vorgedrungen ist, weiß er sich entweder zu helfen, oder er ist fest entschlossen. Um was für Geschäfte handelt es sich, Mister...?«
»Laveau. Paul Laveau.« Er blinzelte. Sein Lächeln wurde etwas breiter. »Ich bin Spion.«
Beide Frauen starrten ihn an. Tara Bishops Linke glitt nach hinten, zu der Schlupfpistole, die hinter der linken Hüfte unter ihrer Uniformbluse steckte.
Der Eindringling lachte. »Ich hoffe, ich habe Sie damit nicht beunruhigt.« Er hob die linke Hand, bewusst so langsam, dass beide Frauen - und momentan konzentrierte sich seine Aufmerksamkeit auf die Kapitänin - erkennen konnten, dass er keine Waffe darin hatte.
In der Handfläche hielt er ein Abzeichen mit dem Siegel der Republik und seinem Bild. »Wir stehen auf derselben Seite.«
Kapitänin Bishop trat näher und betrachtete das Abzeichen. »>System- und Ressourcenprüfer<«, las sie und musterte ihn misstrauisch. »>Büro des Exar-chen«
»Echte Spione sind in der Regel nicht sonderlich aufregend«, gab er zu. »Man könnte sagen, ich bin das buchhalterische Gegenstück eines Gerichtsmediziners.«
»Sie sind gekommen, um unsere Bücher zu prüfen?«, fragte Tara Campbell ungläubig.
»Mitten in einer Clan-Invasion?«, setzte Tara B. hinzu. Sie nahm das Abzeichen, untersuchte es und warf es dann Tara Campbell zu, die es aus der Luft fing, als sei dies das Normalste auf der Welt. Sie musterte es ebenfalls und runzelte dabei die Stirn so heftig, dass sich ihre Nasenspitze leicht anhob.
Wieder lachte Paul Laveau. Es schien sein
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