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Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Titel: Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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die sein Vater ihm geschlagen hatte.
    »Ist das nicht ein bisschen spät dafür?«
    »Für eine Menge Dinge ist es ein bisschen spät«, entgegnete John bitter. »Ich bin ein Narr, George! Ein verdammter Narr!«
    »Unsinn, John, du bist kein Narr. Du hast getan, was am besten war. Und lass dir von deinem Vater nichts anderes einreden. Du hast das einzig Richtige getan.«
    »Wirklich?«
    »Das weißt du. Diese Nacht gehört Yvette – und du gebärdest dich gefälligst nicht wie ein verwöhntes Kind, nur weil du einmal nicht im Mittelpunkt stehst.«
    John musste lächeln, obwohl ihm nicht danach zumute war.
    »Sieh her!« George wog eine pralle Börse in der Hand, bevor er sie John zuwarf.
    »Was ist das?«
    »Zähl nach.« Er sah zu, wie John den Inhalt befingerte. »Es sind mehr als hundert Dollar. Meiner Schätzung nach ein Gewinn von mehr als fünfundachtzig Dollar.«
    »Ein Gewinn?«
    »Ja, Yvettes Gewinn, um genau zu sein. Nach den Angaben der Pokerspieler hat sie mit zwanzig Dollar angefangen. Den Rest hat sie gewonnen.«
    John sah George ungläubig an. »Willst du damit etwa sagen, dass sie den Matrosen das ganze Geld abgeknöpft hat?«
    »So wahr ich hier stehe. Vermutlich hat ihre Art zu spielen die Männer getäuscht. Sie hat mehrmals drei Karten behalten, in der Hoffnung, noch ein weiteres Paar zu ziehen. Das haben die Männer unterschätzt und angenommen, dass sie drei gleiche Karten in der Hand hielt. Wenn dein Vater nicht dazwischengefunkt hätte, wäre es sicher sehr unterhaltend geworden.«
    »Wieso warst du überhaupt dort, Georgie?«
    »Ich wollte eigentlich nur ein Bier trinken, aber ich hätte mir fast in die Hose gemacht, als plötzlich Paul und dein Vater hereinkamen.«
    »Das glaube ich gern.« John lachte. »Am besten erzählst du mir die Geschichte von Anfang an.«
    George meinte: »Ich wüsste nicht, was ich lieber täte.«

7
    Samstag, 7. Oktober 1837
     
    An diesem Morgen war Frederic noch schlechter gelaunt als am Abend zuvor. In seinen Räumen ließ sich seine jämmerliche Verfassung zwar verbergen, aber für ihn selbst wurden sie zunehmend zum Kerker. Ein Kerker voller Erinnerungen an sein Leben, an die vielen Gelegenheiten, die er versäumt, und an die Pläne, die er stattdessen geschmiedet hatte. Wieder war ein Plan fehl geschlagen. Wann lernte er endlich, dass sich das Schicksal nicht beeinflussen ließ? Der Allmächtige war offenbar entschlossen, die Qual seines Versagens als Vater und als Ehemann noch zu verlängern.
    Aus dem Garten drangen Stimmen herauf und lockten Frederic an die Türen zur Veranda. John hockte im Schneidersitz auf der Wiese und hatte den Arm um die Schultern des Jungen gelegt, der auf einem seiner Knie saß. »Lass mich mal sehen.« Er drehte Pierres Hand hin und her. »Wo ist denn der Splitter, den Mainie nicht sehen kann?«
    »Da!« Pierre deutete auf eine Stelle, und Charmaine sah John über die Schulter.
    »So groß ist er zum Glück nicht«, sagte John und hob die Hand näher an die Augen. »Angeblich sind die kleinen ja schlimmer als die großen.« Pierre sah zu seiner Gouvernante auf. »Du weinst jetzt aber nicht, wenn ich ihn herausziehe, oder?«, fragte John liebevoll.
    Pierre schüttelte den Kopf, und John stand auf und nahm den Jungen auf den Arm. Dabei spielte die Sonne in seinem braunen Haar. Elizabeths Haar.
    Sein Sohn war inzwischen ein Mann. Mit einem Mal fühlte sich Frederic in die Zeit zurückversetzt, als John im selben Alter wie Pierre dasselbe passiert war. Im brüllenden Sturm kämpfte sich das Schiff durch die Wogen, als plötzlich die Kabinentür aufflog und eine verzweifelte Nanny ihm seinen brüllenden Sohn brachte. Aber John war nicht zu beruhigen, dazu war die Nacht zu dunkel und der Sturm zu heftig. Man überließ ihn der Fürsorge eines Vaters, den er kaum kannte. Enterbt hatte er das Kind nicht, aber er konnte sich auch nicht dazu durchringen, John als Kind der Frau anzunehmen, die er noch immer von Herzen liebte. In dieser Nacht hielt er den Dreijährigen zum ersten Mal im Arm. Wenn er ihm auch nichts geben konnte, so war er doch stark genug, um ihn vor dem Sturm zu schützen und womöglich zu trösten. Als sie sich in die Koje legten, barg John seinen Kopf an der Schulter seines Vaters und atmete ruhig. Frederic fühlte, wie sich der kleine Körper in seine Arme schmiegte, und es gefiel ihm. Und im selben Moment dachte er daran, dass er Elizabeth genauso im Arm gehalten hatte, und wieder rannen ihm die Tränen aus den

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