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Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Titel: Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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heulte Jeannette. »Es ist ihr egal, ob Mama …«
    »Das habe ich nicht gesagt«, fiel Yvette ihr ins Wort. »Außerdem habe ich meine Meinung längst geändert. Ich gehe ja mit, Jeannette, hör bloß auf zu weinen. Bitte!«
    Die Nacht war rabenschwarz, und der offene Wagen schwankte leicht, als er an Fahrt gewann. In der Dunkelheit war die staubige Straße kaum zu erkennen und so trügerisch, dass die unerfahrene Lenkerin von Angst ergriffen wurde. Sie zerrte an den Zügeln, woraufhin das Pferd scheute und wieherte. Doch dann verfiel es in eine langsamere Gangart. Obgleich etwas mehr Licht hilfreich gewesen wäre, wagte die Frau nicht, die Laterne anzuzünden. Irgendwann wurde die Straße ebener, und kurz darauf tauchte seitlich vom Weg schwacher Lichtschein zwischen den Bäumen auf. Ein kurzer Ruck am Zügel, und schon bog das Pferd mit verminderter Geschwindigkeit ab, bis es vor einem einsamen Gebäude inmitten des Waldes zum Stehen kam und der eigentliche Teil der Unternehmung begann. Die Lenkerin entstieg der Kutsche und strich ihre schwarzen Röcke glatt, die bis auf den Boden reichten. Obgleich sie vorsichtig auftrat, verriet der knirschende Kies unter ihren Sohlen jeden ihrer Schritte. Als sie die Stufen hinaufstieg, wurde die Tür bereits geöffnet.
    »Sie haben sich verspätet«, tönte eine dunkle Stimme aus dem Inneren. »Um ganze sechs Stunden.«
    Die Frau trat ein, und sofort schloss sich die Tür hinter ihr. Gleichmütig streifte sie die Handschuhe ab, schlug die Kapuze ihres Umhangs zurück und sah ihrem Gegenüber direkt in die Augen. »Ich habe gesagt, dass ich komme, und ich habe Wort gehalten.«
    Sie war wütend, wie er an ihrem entschlossen vorgereckten Kinn und dem durchdringenden Blick erkannte, und zugleich beunruhigt, was ihre verächtliche Miene kaum verbarg.
    »Offenbar sind Sie der Meinung, dass Sie mich warten lassen können«, bemerkte er kalt. »Aber ich warte nie auf jemanden. Am wenigsten auf Leute wie Sie!«
    »Wie können Sie es wagen …«
    »Mrs. Duvoisin«, entgegnete er verärgert. »Ich gebe Ihnen einen Rat: Versuchen Sie keine Spielchen. Sie sind aus einem höchst verwerflichen Grunde hier, der sich nicht plötzlich in Wohlgefallen auflöst, wenn Sie ihn nicht zur Kenntnis nehmen. Oder wenn Sie sich verspäten. Ich sage es nur ein Mal: Ich bin weder vergesslich noch tolerant. Seien Sie also beim nächsten Mal pünktlich, oder meine Geduld wird reißen, bevor noch die erste Stunde abgelaufen ist.«
    »Beim nächsten Mal? Ich versichere, dass es kein nächstes Mal geben wird«, zischte sie erbost. »Sie sind verrückt, wenn Sie glauben, dass das so weitergeht.«
    »Ganz im Gegenteil. Sie werden mich nicht nur weiterhin bezahlen, sondern von heute an sogar die doppelte Gebühr für mein Schweigen entrichten.«
    »Ich habe Ihnen wirklich schon genug gegeben!«
    »Wenn dem so wäre, so wären Sie heute Abend nicht hier, nicht wahr?« Er hielt inne, um seine Worte wirken zu lassen. »Ich entscheide, wann ich genug bekommen habe. Selbst die doppelte Summe ist für die Frau von Frederic Duvoisin nicht ungewöhnlich. Sehen Sie sich doch nur an, welche Höhen Sie inzwischen erklommen haben. Ist das denn nicht das Einzige, was zählt – in welchem Maß Sie von den Plänen und Intrigen profitiert haben? Warum also teilen Sie Ihren Gewinn nicht mit einem, der Sie so gut versteht?«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden!«
    »Ach nein? Ob Ihr Mann sich wohl für Ihr Doppelleben interessiert? Es gibt auch noch eine andere Theorie, mit der ich öfter in Gedanken spiele … Womöglich fände Frederic einen Besuch von mir äußerst … nun, sagen wir, äußerst aufschlussreich?«
    »Es gibt Mittel und Wege, um Sie daran zu hindern!«
    Sein Blick wurde scharf. »Wollen Sie mich zum Narren halten, Madame? Ich hoffe nicht – und das zu Ihrer eigenen Sicherheit. Falls Sie versuchen sollten, mich loszuwerden, kommt die Wahrheit unweigerlich ans Licht.«
    Er sah, wie ihre Angst wuchs, und nickte. »Genau. Ich habe Vorsorge getroffen. Aber nun will ich Sie endlich von Ihrer Last befreien.«
    Er trat einen Schritt auf sie zu und nahm ihr den kleinen Beutel aus den Fingern. Er öffnete ihn, befingerte kurz den Inhalt und zog die Schnüre mit einem zufriedenen Nicken wieder zusammen. »Ausgezeichnet, fürwahr. Von heute an treffen wir uns jeden zweiten Samstag, pünktlich um drei Uhr. Ich freue mich schon auf Ihre Besuche. Gute Nacht, Mrs. Duvoisin.«
    »Am Samstag? Warum ausgerechnet am

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