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Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Titel: Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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bedrückt, was Charmaines Verwunderung noch vergrößerte. Aber leider ließ sie die Sache nicht auf sich beruhen, was sie sicher getan hätte, wenn sie zu Rose oder George hinübergesehen hätte. »Ein Stück Kuchen kann man wohl kaum als Feier bezeichnen.«
    »Mein Geburtstag wird nie gefeiert«, sagte er leise. »Ich wurde zwar an diesem Tag geboren, aber wichtiger ist, dass meine Mutter am selben Tag gestorben ist. Aus diesem Grund durfte ich nie Geburtstag feiern.«
    »Aber das … das ist grausam«, entfuhr es Charmaine. »Ihr Geburtstag wurde nie gefeiert?«
    »So ist es«, erklärte er kalt. »In den Augen meines Vaters wäre es reine Blasphemie, an diesen Tag zu erinnern. Ihm ist das Andenken meiner Mutter heilig.«
    Charmaine konnte es nicht fassen. Ihr Herz schmerzte. Rose hielt den Kopf gesenkt, und George starrte stumm vor sich hin. Nur Agatha schien von alledem unberührt. Sie saß aufrecht am Tisch und reckte ihre Nase in die Luft.
    Während sie den Kuchen aßen, sah Charmaine verstohlen zu John hinüber. Hatte er ihre Unterhaltung vergessen, oder versteckte er hinter dieser reglosen Maske nur seinen Schmerz?
    Paul ließ die Gouvernante in die Bibliothek eintreten. Dann schloss er die Tür und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Rahmen, als ob er eine Flucht verhindern wollte. Mit bangem Herzen hatte Charmaine nach dem Dinner im Kinderzimmer gewartet und insgeheim John verflucht. Ein Wort von ihm hätte das Feuer löschen können. Aber nein, ihm schien es Spaß zu machen, und zwar höllischen Spaß, die Situation auf die Spitze zu treiben.
    Paul sah finster drein. Wie ein Vater, der sein ungezogenes Kind bestraft. In Charmaines Magen rumorte die Angst und verursachte ihr Übelkeit. Je länger er schwieg, desto klarer wurde ihr, dass das Urteil längst gefallen war. »Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal in diese Lage kommen würde, aber Ihr Benehmen und das Beispiel, das Sie den Kindern gegeben haben, lässt mir keine andere Wahl.«
    Charmaine war zu verletzt, um etwas zu entgegnen. Ob er sie entließ? In diesem Moment war ihr alles gleichgültig. Selbst der Verlust ihrer Stellung konnte nicht schlimmer sein als dieser vernichtende Blick.
    Paul löste sich von der Tür. »Haben Sie nichts dazu zu sagen, Mademoiselle? Kein Wort der Verteidigung?«
    »Sie lassen mir ja keine Wahl.«
    »Ich lasse Ihnen keine Wahl? Sie machen mich verantwortlich? Wer hat sich denn ungebührlich betragen und sich stundenlang mit einem Mann herumgetrieben, der überall als Verführer bekannt ist? Ich nenne solches Betragen lasterhaft.«
    »Lasterhaft? Das Ganze war doch nur ein unschuldiges Picknick!«
    »Aber, aber, Mademoiselle. Tun Sie doch nicht so, als ob Sie mich nicht verstünden. Sie haben meine Warnungen in den Wind geschlagen und sich von John benutzen lassen, und das vor den Kindern … Und wie es aussieht, haben Sie es auch noch genossen!«
    »Wie können Sie das sagen? Sie wissen selbst, dass ich ihm aus dem Weg gegangen bin!«
    »Verzeihen Sie, wenn ich das nicht länger glaube. Ich bin kein Narr. Eine Menge Frauen lieben derartige Spielchen. Aber Ihr Ausrutscher heute war ein Fehler!«
    »Genau. Was ich gesagt habe, war ein Ausrutscher! Sie glauben doch wohl nicht ernsthaft, dass das tatsächlich passiert ist? Ich schwöre …«
    »Aber Sie haben den ganzen Tag mit ihm verbracht, Miss Ryan!«, fiel er ihr ins Wort.
    »In Gesellschaft der Kinder, ja!«
    »Und« – er hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen – »Sie sind ihm keineswegs aus dem Weg gegangen.«
    »Ich hatte gar keine andere Wahl! Er bestand darauf, dass ich für die Kinder verantwortlich bin. Also musste ich sie begleiten.«
    »Genau das. Er hat Sie benutzt – und das mit Ihrem Einverständnis. Sie haben sogar Ihr Haar für ihn gelöst«, fügte er mit kindischem Triumph hinzu. »Glauben Sie nur nicht, dass ich das nicht bemerkt hätte. Sie brauchen es gar nicht abzustreiten, Miss Ryan. Sie hätten diese Bemerkung heute Abend niemals gemacht, wenn Sie sich nicht mit meinem Bruder einig wären. Sehr einig sogar.«
    »Aber das ist nicht wahr!«
    Ein Schrei drang durch die geschlossene Tür des Kinderzimmers. Als keiner auf Johns Klopfen reagierte, trat er ein. Pierre lag auf dem Boden und spielte mit den Kätzchen, während Jeannette zusammengekauert in einer Ecke hockte und Yvette etwas über ihren Kopf hielt.
    »Tu das weg!«
    »Yvette!«
    Die Zwillinge fuhren herum. Blitzschnell ließ Yvette ihre Hand auf dem Rücken

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