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Der Fluß

Der Fluß

Titel: Der Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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ist sehr erschöpft«, antworte ich.
    »Hast du jetzt Ruhe, um zu üben?« sagt Selma Lynge besorgt.
    »Jetzt habe ich alle Zeit der Welt«, antworte ich beruhigend.

    Der Champagner steht bereit, danach das kolossale Festessen mit Partyzelt im Garten, mit Sprossenfenstern und Wärmestrahlern. Familie Frost hat Erfahrung mit großen Gesellschaften, und Langballes haben sicher ihren Beitrag geleistet. Was uns jetzt erwartet, ist kein ungezwungenes Beisammensein, denke ich. Nervöse Redner, die sich nach besten Kräften präsentieren. Einer davon bin ich. Und erst jetzt spüre ich Rebeccas Blick, die blitzenden, blauen Augen. Wie schön sie ist, denke ich. Geschaffen, nur das Beste zu bekommen. Was in aller Welt soll ich zu ihr sagen?

    Ich sitze bei der Familie, habe Gilbert Vogts und seine kleine Schwester Camilla neben mir. Sie ist eine nette und unterhaltsame Siebzehnjährige, die wie ein Wasserfall über Aktien und Aktienkäufe redet. Außerdem überlegt sie, ob sie es wagen kann, in den Club 7 zu gehen, wenn der im Sommer umzieht in neue Räume auf Vika. »Jazz ist einfach herrlich!« sagt sie und wirft mir einen schelmischen Blick zu. Sie ist fest entschlossen, die Handelshochschule in Bergen zu besuchen und in die Wirtschaft zu gehen.
    Es ist komisch für mich, Menschen zu begegnen, die mit Geld umgehen können. Vater konnte es nicht. Deshalb höre ich nichts mehr von ihm, seit er bei seiner neuen Freundin in Sunnmøre lebt. Ich mag ihn nicht einmal anrufen. Und er ist ein Mensch, der nur im Notfall zum Telefon greift.
    Die ersten Reden kommen am laufenden Band. Ich höre zu, bin aber unfähig, etwas aufzufassen. Mit jedem Wort, das gesagt wird, verblaßt mein Konzept, das ich mir im Kopf zurechtgelegt habe, mehr und mehr. Bald ist nichts mehr übrig. Die Reden der Eltern von beiden Seiten sind witzig und pointiert. Hier reden die Erzieher, die ihre Kinder alsprivaten Segen betrachten und als ein Investitionsobjekt. Die Frosts lassen immerhin zusätzlich eine kulturelle Begeisterung erkennen. Die Langballes scheinen jedenfalls genügend Geld zu haben.
    Fabian Frost betont die Freundlichkeit seiner Tochter, die zu ihrem Problem werden könne, die sie für dieses Leben zu nachgiebig mache, die aber dazu geführt habe, einen Mann zu bekommen, der sie versteht. Mit Tränen in den Augen hebt er sein Glas und wünscht ihr Glück für ihr zukünftiges Leben.
    Danach folgen zwei Reden der Langballes, von denen ich heute kein Wort mehr weiß. Dann ist Rebeccas Mutter an der Reihe.
    Desirée Frost betont, daß ihre Tochter eine große Künstlerseele habe. Deshalb sei sie enttäuscht darüber, daß sich Rebecca nicht für die Musik entschieden habe. Sie bemühe sich jedoch, sich für Rebeccas Studium der Medizin zu erwärmen. Sie erinnert an nette Episoden aus der Kindheit, beklagt die erschütternden und tragischen Ereignisse des vergangenen Sommers im Ferienhaus. Sie schließt mit einer herzlichen Bitte an Christian: »Und du, lieber Schwiegersohn, mußt mir versprechen, immer lieb zu ihr zu sein!«
    Christian Langballe hebt das Glas hoch und ruft: »Das verspreche ich, Dessy!«

    Dann bin ich an der Reihe. In meinem Kopf ist alles weiß. Ich denke an Schubert, der mich nicht mehr in meinen Träumen besucht. Ich denke an die Musik, die er noch nicht geschrieben hat und die ich spielen soll. Ich denke an Jazzmusiker und an Improvisationen.
    »Liebe Rebecca«, sage ich und sehe, daß sie mich mit großen, erwartungsvollen Augen anschaut. Ich bin ihr bester Freund. Ich darf sie nicht enttäuschen. Und plötzlich weißich, was ich sagen will. Ich preise sie als große Künstlerin, weil sie mich aus meiner tiefen Trauer herausgeholt hat. Ich preise sie als eine weise Person, weil sie mir geraten hat, das Glück zu suchen, ehe es zu spät ist. Ich preise sie als meinen besten Kumpel im Leben. Ich merke, daß das eine schöne Einleitung ist, daß die versammelten Gäste zuhören, daß dies Worte sind, die von Herzen kommen. Dann sage ich den fatalen Satz: »Einmal hast du zu mir gesagt, daß eigentlich wir, du und ich, füreinander bestimmt sind.« Aber ich merke gar nicht, was ich gesagt habe. Ich fahre unbeirrt fort. Sage, daß ich mich wie ein leichtsinniger Tor benommen habe. Beschreibe bildhaft die besondere Freundschaft zwischen uns, die Fürsorglichkeit, die sie stets für mich hatte. Ich zeichne das Porträt einer unbestechlichen Frau, die dastehe wie ein Fels, auf die sich Christian Langballe verlassen könne. Ich

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