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Der Fluß

Der Fluß

Titel: Der Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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die beiden Le-Corbusier-Zweisitzer und die Wassily-Stühle. Alles in schwarzem Leder. Und der Salontisch aus Glas sieht immer noch teuer aus. Und da, gegenüber aufgeklappt, der Steinway. Das edle A-Modell. Marianne beobachtet mich aufmerksam, wie einst Anja, als sei sie für jeden Gegenstand verantwortlich. Sie erwartet, daß ich etwas sage.
    »Wie in einer Schöner-Wohnen-Zeitschrift«, sage ich beeindruckt.
    »Das Wohnzimmer war Brors ganzer Stolz«, sagt sie. »Der Tisch zum Beispiel. Eero Saarinen.«
    »Ich weiß«, sage ich. »Anja hat mich ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht.«
    Ich betrachte den Glasschrank, in dem die Platten stehen. Ich betrachte das Panoramafenster mit den Bäumen dahinter, erinnere mich, was Anja sagte, voller Stolz darüber, daß das ihre Welt war.
    »Ist alles so, wie du es in Erinnerung hast?« fragt sie beinahe unsicher, als hätte sie Angst davor, etwas zu berühren, oder als wolle sie jemandem eine Freude machen.
    »Du hast überhaupt nichts verändert«, sage ich. »Es ist, als könnte Anja jeden Moment die Treppe von oben herunterkommen.«
    Sie freut sich über das, was ich sage.
    »Ja, nicht wahr?« sagt sie. »Bror dagegen ist weg für immer.«
    »Trauerst du um ihn?« frage ich.
    Sie schaut mich verwundert an.
    »Natürlich trauere ich um ihn«, sagt sie.
Wieder in der Küche
    Wir sitzen in der Küche, sitzen uns gegenüber. Espresso aus einer kleinen, matt glänzenden Maschine. Die grünen Augen schauen mich an. Anjas Blick, der nie auswich, immer direkt war. Wie können sich Mutter und Tochter so ähnlich sein? denke ich. Weil Marianne so jung war, als sie Anja bekam, erst 18 Jahre? Ihr Gesicht wirkt müde. Eine ungesunde Blässe. Die sommerliche Bräune ist verschwunden. Sie tut mir leid. Es ist zweifellos nicht einfach, unter solchen Umständen Marianne Skoog zu sein. Der Tod ist in diesem Haus gewesen und hat zwei mitgenommen. Es ist noch kein Jahr her seit unserem gemeinsamen Essen im Blom. Da war ich noch 17 Jahre und sie 35. Was uns damals verband, war die Sorge um Anja. Sie erzählte mir intime Dinge aus ihrem Eheleben. Und sie vertraute mir an, daß sie sich entschlossen habe, ihren Mann zu verlassen. Mir hat sie das gesagt! Mir, den sie kaum kannte, mit dem sie bisher kaum ein Wort gesprochen hatte.
    Als ich ihr in die Augen schaue, weiß ich, daß auch sie sich an unser Gespräch erinnert. Werden wir weiterhin so offen miteinander umgehen? Es fällt ihr schwer, die richtige Tonlage zu finden.
    »Aber du hast doch eine Wohnung in Majorstuen geerbt?« sagt sie nervös.
    »Das schon, aber ich verdiene nicht genug, um sie behalten zu können. Das beste wäre, sie zu vermieten und woanders billiger zu wohnen. Ein Tauschhandel. Jedenfalls für einige Zeit. Ich habe lange darüber nachgedacht. Für einen Tag inder Woche habe ich einen Job in der Notenabteilung der Musikalienhandlung. Die übrige Woche muß ich konzentriert üben. Selma Lynge wird wahrscheinlich von mir erwarten, daß ich nächstes Jahr debütiere oder das Jahr darauf. Als ich deine Annonce an dem Lichtmast sah, traute ich meinen Augen nicht. Das war zu schön, um wahr zu sein.«
    Ihre Augen wirken auf einmal leer. »Zu schön, um wahr zu sein? In diesem Haus zu wohnen?«
    »Für mich ist dieses Haus ein gutes Haus, egal, was hier geschah.«
    »Weil Anja hier gewohnt hat?«
    »Ja.«
    Sie lächelt. »Ich mag es, daß du über Anja sprichst«, sagt sie.
    Ich höre meine Worte und weiß nicht genau, wohin das führen soll. Vor wenigen Minuten übergab ich mich an einem Lichtmast. Jetzt sitze ich in dem Haus, das mich verwandelte, in mir eiskalte Muster schuf, und möchte Untermieter werden.
    »Und warum möchtest du vermieten?«
    »Ich werde am Mittwoch wieder anfangen, voll zu arbeiten. Das ist mir aus verschiedenen Gründen wichtig. Der Verein der Sozialistischen Ärzte, das sagt dir vermutlich nicht sehr viel?«
    »Stimmt!« gebe ich zu und erinnere mich daran, daß mir Anja einmal etwas über ihre Mutter erzählte, was mich allerdings kaum interessiert hat. »Aud Blegen Svindland?« frage ich.
    Marianne Skoog sieht mich überrascht, fast anerkennend an. »Du hast von ihr gehört? Sie hat eine Praxis für Verhütung und Abtreibung eröffnet, und jetzt wollen wir noch die Klinik für sexuelle Aufklärung wiedereröffnen. Das bedeutet viel Arbeit. Viele Überstunden. Aber ich brauche jetzt eine sinnvolle Beschäftigung, und ich brauche jemanden,der sich um das Haus kümmert. Außerdem steht ein Zimmer

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