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Der Fluß

Der Fluß

Titel: Der Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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Licht auf, warum sie gekommen ist.
    »Ja«, sage ich. »Aber darüber können wir später reden. Ich nehme an, du hast die Annonce in der Zeitung gelesen?«
    »Ja. Willst du wirklich diese Perle vermieten? Diese perfekte Junggesellenwohnung?«
    Ich nicke beinahe schuldbewußt.
    »Aber war das nicht ein Geschenk?« sagt Rebecca in ihrer direkten Art. »Hat sich der arme Kerl nicht deinetwegen aufgehängt?«
    »Sage nicht so was! Ich weiß nicht, was passiert ist. Hoffentlich nahm er Tabletten. Ach, was reden wir da. Ein paar schmerzhafte Sekunden. Ich weiß nichts über die Einzelheiten. Ich weiß nur, daß mir Synnestvedt die Wohnung und den Flügel testamentarisch vermachte.«
    »Während du, ein herzloser Rohling, zu Selma Lynge übergelaufen bist.«
    »Sag nicht so was, sage ich!«
    »Ich sage nur, was alle in den Musikerkreisen klatschen. Daß du ein Verräter bist. Ich sage das, weil du ein Freund bist. Du hast eine Wohnung von dem Musiklehrer Synnestvedt bekommen. Er nahm sich das Leben, das steht fest. Und bevor er sich das Leben nahm, hast du bei Selma Lynge angefangen. Verstehst du, was ich meine?«
    »Ich ertrage nicht noch mehr Verurteilungen«, sage ich matt.
    »Warum vermietest du eigentlich?«
    »Weil ich Geld brauche. Weil ich üben muß. Studieren muß. Gut werden muß. Ich nehme mir ein Zimmer mit Flügel für500 Kronen. Für diese Wohnung bekomme ich 1500. Aber für dich ist die Bude doch viel zu klein und primitiv? Du bist reich genug und kannst dir eine super Penthauswohnung in bester Lage leisten!«
    »So einfach ist das nicht. Papa erzieht uns streng. Zwar werden wir vermutlich einmal einiges erben, aber vorläufig müssen wir selbst sehen, wie wir zurechtkommen, obwohl wir ein gutes Taschengeld erhalten. Diese Wohnung wäre für uns in jeder Hinsicht perfekt. Zentral gelegen, so wie Christian und ich sie brauchen. Wie du weißt, studiert er Jura und ich Medizin.« Sie blickt sich um. Mustert das große Zimmer, die kleine Küche, wirft einen Blick ins Bad, das zum Glück sauber ist.
    »Perfekt. Wir wollen es ja nicht zu groß«, kichert sie. »Und der Flügel erspart es mir, zum Üben nach Hause zu Mama und Papa zu müssen. Ich möchte den Kontakt zur Musik nicht verlieren, verstehst du.«
    Dann schaut sie mir in die Augen.
    »Wo wirst du wohnen?«
    Ich weiche ihrem Blick aus.
    »Anjas Mutter hat ein Zimmer nebst Benutzung des Flügels annonciert.«
    Die Reaktion läßt nicht auf sich warten.
    » Anjas Haus? Anjas Mutter ? Du bist krank , Aksel.«
    »Hört sich vielleicht krank an. Andererseits ist es sinnvoll.«
    »Man kann doch nicht in einem Haus wohnen, wo sich die Tochter zu Tode gehungert und der Vater mit der Schrotflinte erschossen hat!«
    »Aus meiner Sicht ist das machbar.«
    »Zurück ins Tal deiner Kindheit? Ist es das?«
    »Vielleicht. Außerdem bin ich näher bei Selma Lynge. Sie hat beschlossen, daß ich debütieren soll. In neun Monaten.«
    Rebecca verdreht die Augen gen Himmel. »Mal wieder typisch Selma. Überdeutliche Metaphern. Und jetzt habt ihr sozusagen ein Kind zusammen – oder einen Embryo?«
    Ich lache über ihre Ironie. »Ja«, nicke ich. »Heute ist der Tag eins.«
    »Da ist der Embryo ziemlich empfindlich! Aksel, nimm dich zusammen! Willst du das wirklich?«
    »Natürlich.«
    Sie überlegt. Schüttelt den Kopf.
    »Nun ja. Dich kann ich ohnehin nicht mehr retten. Ich schlage ein. Sorgenfrigata ist perfekt. Mir hat diese Gegend immer gefallen. Und hier habe ich Christian unter Kontrolle.« »Muß er kontrolliert werden?«
    »Wir sind glücklich, Aksel. Wir heiraten am zweiten Weihnachtsfeiertag.«
    »Glückwunsch.«
    »Danke.«
    »Ich freue mich, daß ihr glücklich seid. Ich weiß, daß dir das Glück wichtig ist.«
    »Nimmst du mich auf den Arm?«
    »Nein«, sage ich jetzt nachdrücklich. Mir gefällt wirklich der Gedanke, daß Rebecca und Christian meine Wohnung nehmen. Eine perverse Besitzerfreude, die ich von meinem Vater geerbt haben muß. Und ich brauche nicht mehr samstags im Musikhaus Noten verkaufen. Das verschafft mir noch mehr Zeit zum Üben. Außerdem bleibe ich mit ihr in Verbindung. Ich möchte nicht, daß Rebecca Frost aus meinem Leben verschwindet.
    »Machen wir einen Mietvertrag?« sagt sie.
    »Brauchen wir wirklich etwas Schriftliches?« frage ich.
    »Ja«, sagt Rebecca altklug. »Christian studiert Jura. Was ist, wenn du stirbst? Oder geisteskrank wirst?«
    »Dann soll er einen Vertrag aufsetzen und zu mir kommen.«
    »Nein. Ich möchte nicht, daß

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