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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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hätte ihn am liebsten gepackt und ihm ins Gesicht geschrien: Was kommt jetzt?
    Doch sie tat es nicht.
    Er führte sie wieder zum Wagen. In wenigen Minuten umfing sie das Dunkel der Nebenstraßen, die zur Interstate führten. Douglas Jeffers fuhr langsam. Er hing offensichtlich seinen Gedanken nach und konnte sich wohl nach dem Wein undmit vollem Magen nicht wie gewohnt auf seine Pläne konzentrieren.
    Er erzählte gerade: »Ich kenne ein paar hübsche Landgasthäuser ein Stück die Straße runter …«, als eine Autohupe ihm schrill das Wort abschnitt und grelles Licht den Wagen erfüllte. Er riss das Steuer herum und geriet auf das Schotterbankett, so dass der Wagen beängstigend ins Schleudern kam, als ein anderes Fahrzeug vorbeiraste.
    Sie hatte das Gefühl, als sei das andere Auto irgendwie in ihres eingedrungen, und ihr entfuhr ein Laut zwischen Angst und Warnung: »Achtung! O mein Gott!«
    Ihr war die erschreckende Nähe des anderen Fahrzeugs bewusst. Dann hörte sie laute Stimmen und sah, wie sich die Rücklichter eines Jeeps entfernten. Es war ein aufgemotztes Modell mit dicken Reifen, grellbuntem Lack und Überrollbügel. Zwei Jugendliche hielten seitlich die Köpfe heraus und gestikulierten wild.
    Jeffers fluchte wild.
    »Teenager!«, knurrte Douglas Jeffers wütend, und in seinem Ton kämpfte rasende Wut mit Erleichterung. »In ungefähr einer Woche fängt, glaube ich, das Semester an, und sie lassen Dampf ab. Gott, um ein Haar wäre ich die Böschung runtergefahren …« Er deutete auf den Seitenstreifen. »Ich kenne diese Straße. Verdammt! Da drüben fällt das Gelände direkt steil ab. Eine Uferböschung runter, dahinter kommt ein kleiner Fluss. Gott, wir wären tot gewesen. Diese kleinen Miststücke. Gott. Montagnachts auf ’ner Spritztour, ist das zu fassen! Wir hätten tot sein können.«
    Er fuhr in gemächlichem Tempo weiter.
    »Alles in Ordnung?«, erkundigte er sich.
    »Ja, sicher«, antwortete sie. »Aber die haben mir einen Mordsschrecken eingejagt.«
    »Das war mein Fehler«, entschuldigte er sich. »Ich hätte sehen müssen, wie schnell sie herangebraust kamen.«
    Er hielt die flache Hand ausgestreckt vor sich hin.
    »Sieh dir das an. Sie zittert ein bisschen. Müssen die Nerven sein.«
    Er lächelte wieder.
    »Das bedeutet wohl, dass ein Beinahe-Unfall einem an die Nieren geht, egal, wer man ist. Ein Moment der Panik, und dann kehrt das Leben in seinen gewohnten Trott zurück.«
    Nach einer Weile fügte er hinzu: »Es gibt wirklich nichts, aber auch gar nichts Schlimmeres als einen Jungen mit einem Auto, allzu viel Selbstvertrauen und ein bisschen Alkohol im Blut. Verflucht noch mal, die tun so, als wären sie allein auf der Welt. Unsterblich. Junge, mir geht das auf den Geist.«
    Dann lachte er. »Und es gibt mir das Gefühl, alt zu sein.«
    Im Dunkel vor ihnen leuchtete eine Tankstelle auf. Als sie daran vorbeikamen, sahen sie beide den Jeep an der Zapfsäule.
    »Da drüben«, sagte sie unwillkürlich. »Da sind sie.« Sie sah zwei Jungen mit dem Rücken zu ihnen am Getränkeautomaten stehen. Beide waren groß und dünn und trugen Baseballkappen. Ihre Körperhaltung war lässig und aufsässig zugleich.
    Jeffers ließ die Tankstelle absichtlich hinter sich. Nach einer Viertelmeile beschleunigte er plötzlich so stark, dass es sie gegen die Rücklehne drückte. Sie griff nach vorne, um sich festzuhalten.
    »Ich hab eine Idee«, meinte er. »Das klassische Highway-Spektakel.«
    Plötzlich klang seine Stimme aufgeregt.
    »Da vorne kommt eine interessante Stelle«, fuhr er fort. »Wo sich die Straße gabelt und ein Weg in eine kleine Schlucht neben der Interstate runterführt.«
    Binnen Sekunden hatten sie die Gabelung erreicht. Er nahm die obere Abzweigung und drosselte nach wenigen hundert Metern das Tempo. Er fand eine dunkle Parkbucht und hielt an.
    »Und jetzt«, erklärte er, »wollen wir mal sehen, ob das Glück auf unserer Seite ist. Bleib, wo du bist.«
    Er hatte einen Befehlston angenommen, dass sie nicht einmal zu zucken wagte.
    Douglas Jeffers rannte zum Heck und riss den Kofferraum auf. Er griff ins Gepäck und hatte im nächsten Moment den glänzenden Stahlgriff des halbautomatischen Ruger-Gewehrs in der Hand. Er wühlte zwischen den anderen Waffen, bis er den Ladestreifen mit neun langen Patronen fand. Er legte ihn ein und hörte zufrieden das klickende Geräusch, als er einschnappte.
    Jeffers ließ das Gewehr zuoberst im offenen Kofferraum liegen und suchte einen Moment

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