Der Frauenhaendler
Tresen und plaudert mit einem berühmten Tennisspieler, der zuverlässig, wenn er in Mailand ist, auch in den Club kommt.
Am Ende eines kurzen Flurs befindet sich eine Tür, die in den Zuschauerraum führt. Wir treten hindurch, bleiben im Halbdunkel stehen und lehnen uns links vom Eingang an die Wand. Zu unserer Rechten steigen die mit Menschen gefüllten Sitzreihen auf. Wenn Giorgio Fieschi für diesen Abend ausgewählt wurde, bedeutet das, dass er sich in der Mailänder Unterhaltungsszene allmählich einen Namen macht.
Als hätten meine Überlegungen ihn auf den Plan gerufen, tritt Giorgio durch den schwarzen Vorhang, der als Hintergrund dient, und erscheint auf der Bühne. Applaus gibt es kaum, aber ich spüre eine gewisse gespannte Erwartung. Er beginnt mit ein paar beiläufigen, aber gelungenen Witzchen über die aktuelle Situation, wie es alle tun, um das Eis zu brechen. Dann folgt eine Viertelstunde mit einem fantastischen Programm, das ich schon kenne und das den Zuschauern einheizt. Dann spricht er plötzlich von sich selbst, erklärt, dass er aus einer großen Familie stammt, dass er viele Brüder hat und sein Leben nicht leicht war. Ich erwarte eine dieser tragikomischen, elegischen Nummern über die Armut, werde aber wie alle anderen damit überrascht, dass er plötzlich den stillen, pathetischen Ton eines Kindes anschlägt.
… oh ja, meine Familie war wirklich sehr groß. Ich kann mich erinnern, dass wir im Morgengrauen aufstanden und dass wir uns, kaum waren wir aufgestanden, begrüßt haben, Guten Morgen Aldo, Guten Morgen Glauco, Guten Morgen Ugo, Guten Morgen Silvio, Guten Morgen Sergio, Guten Morgen Giorgio, Guten Morgen Amilcare, Guten Morgen Gaspare, Guten Morgen Anselmo, Guten Morgen Massimo …
Bei jedem Gruß und Namen dreht Giorgio den Kopf und verändert Stimme, Intonation und Gesichtsausdruck. Man bekommt tatsächlich den Eindruck, als würden alle diese Jungen auf der Bühne herumstehen. Nach einer Pause wendet er sich wieder ans Publikum.
Gegen halb zwölf verließen wir das Haus, um uns der harten Arbeit auf dem Feld zu widmen. Punkt zwölf Uhr mittags rief uns die Mama dann zum guten täglichen Essen, und wir setzten uns an den Tisch, dankten dem Herrn für die Gaben und wünschten uns Guten Appetit Aldo, Guten Appetit Glauco, Guten Appetit Ugo, Guten Appetit Silvio, Guten Appetit Sergio, Guten Appetit Giorgio, Guten Appetit Amilcare, Guten Appetit Gaspare, Guten Appetit Anselmo, Guten Appetit Massimo …
Er wendet sich mit einer resignierten Geste ans Publikum und spricht mit etwas erwachsenerer Stimme.
Nie im Leben habe ich eine heiße Suppe gegessen!
Dann kehrt er wieder in die Welt seiner Figuren zurück.
Der Abend kam, und wir waren müde, aber glücklich. Wir putzten uns die Zähne und gingen ins Bett, und bevor wir das taten …
Das Publikum wartet schon darauf und beginnt zusammen mit ihm:
Gute Nacht Aldo, Gute Nacht Glauco, Gute Nacht Ugo, Gute Nacht Silvio, Gute Nacht Sergio, Gute Nacht Giorgio, Gute Nacht Amilcare, Gute Nacht Gaspare, Gute Nacht Anselmo, Gute Nacht Massimo … Dann schliefen wir heiter ein …
Eine weitere Kunstpause.
… gegen vier Uhr morgens.
Jemand prustet wider Willen heraus. Er lacht auf eine Weise, die kein Halten mehr kennt und die alle anderen mitreißt. Nur ein wahres Talent kann so ein Lachen provozieren. Giorgio fährt fort.
Eines Sonntags, ein Tag, den wir immer heilig gehalten haben, waren wir auf der Tenne und spielten Fußball, und wenn wir uns den Ball zuspielten, sagten wir Danke Aldo, Danke Glauco, Danke Ugo, Danke Silvio, Danke Sergio, Danke Giorgio, Danke Amilcare, Danke Gaspare, Danke Anselmo, Danke Massimo …
Er unterbricht sich und scheint sich auf etwas in weiter Ferne zu seiner Rechten zu konzentrieren.
Bis wir irgendwann eine Person langsam den Hügel heruntersteigen und in unsere Richtung kommen sahen. Als sie nahe genug war, stellten wir fest, dass es der Ehemann der Hebamme war, der uns sehr gut kannte, weil er uns praktisch auf die Welt hatte kommen sehen. Wir stellten uns also vor dem Zaun auf, alle in einer Reihe, und warteten darauf, dass er uns einzeln begrüßte. Als er aber in unsere Nähe kam, lächelte er, hob die Hand und sagte ›Hallo, alle miteinander‹. Dann ging er weiter …
Giorgio macht noch eine Pause und schaut sich mit einem ungläubigen Staunen um. Dann befleißigt er sich eines deprimierten Tonfalls.
Und unsere Kindheit war ruiniert.
Das Publikum verharrt einen Moment schweigend, bevor
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