Der Frauenhaendler
es begreift. Dann bricht der Applaus los, ein warmer Applaus für die Zärtlichkeit, den surrealen Sinn für Humor und die Virtuosität der Nummer. Neben mir im Halbdunkel klatscht Laura mit glänzenden Augen. Eine Träne läuft ihr die Wange hinab, so hat sie gelacht. Giorgio Fieschi muss wirklich gut sein, wenn er die Existenz eines Mannes wie Tulpe vergessen macht.
Ich schaue auf die Uhr. Gleich habe ich die Verabredung mit Micky. Ich ziehe Laura mit mir aus dem Zuschauerraum. Sie soll mich gut sehen und gut hören. Als wir die Tür schließen, dringt immer noch der Applaus aus dem Saal.
Ich stelle Laura an die Wand. Meine Stimme ist ruhig, aber eindringlich. Ich bin kein Schauspieler, aber ich kann einer sein, wenn es nötig ist.
»Hör mir gut zu. Ich tue etwas für dich, und du tust etwas für mich. Gleich treffe ich mich mit jemandem, um dein Problem ein für alle Mal zu regeln. Und du hast morgen früh um neun ein Rendezvous im Hotel Gallia, Suite 605, mit einem sehr feinen und höflichen Herrn, der dir, wenn er dich möchte, eine Million in die Hand drückt.«
Laura schaut mich an. Ich schaue sie auch an, und es sind keine Geigen mehr zu hören, sondern nur noch ein Donnern.
»Sag, dass du mich verstanden hast und dass die Antwort ja ist.«
Sie deutet ein winziges Nicken an.
»Darf ich das als Ja interpretieren?«
Schließlich akzeptiert Laura, dass sie ist, was sie immer war.
»Ich habe verstanden. Hotel Gallia. Suite 605. Um neun.«
»Sehr gut.«
Ich entspanne mich. Nun lächele ich sie an und gestatte ihr eine Ablenkung, die sie sich vermutlich sowieso gegönnt hätte.
»Fick mit deinem Kabarettisten, so viel du willst. Morgen bei diesem Typen musst du eine Bombe sein.«
Ich lasse sie stehen und bin mir sicher, dass sie schon in Kürze nicht mehr alleine sein wird. Auf meiner raschen Flucht nach draußen grüße ich niemanden. Eigentlich bin ich eine Viertelstunde zu früh, aber ich brauche jetzt Luft und eine Zigarette, um etwas gegen den Neid zu tun, den Talent und Erfolg schon immer in mir ausgelöst haben. Ich warte im Licht der Laternen und werde neugierig von zwei Nutten beäugt, die sich um die wenigen passierenden Autos streiten, bis irgendwann hinter der Ecke zur Via Silvia, angekündigt vom Röhren des Motors, der Ferrari von Micky auftaucht. Wie vorhin hält er auf meiner Höhe und bedeutet mir einzusteigen. Ich öffne die Tür und setze mich auf das cremefarbene Connolly-Leder.
»Geht’s los?«
Er bestätigt mit Kopf und Stimme.
»Ja.«
Meine Tür ist noch nicht ganz geschlossen, da fährt er schon an. Instinktiv frage ich mich, ob dies meine letzte Autofahrt sein wird, denn das Geschäftstreffen, zu dem ich unterwegs bin, wird mich mit einem Mann zusammenführen, der für eine ganze Reihe namenloser Gräber in den Betonfundamenten dieser Stadt verantwortlich sein soll.
Kapitel 5
Micky lenkt den Ferrari ruhig durch den Verkehr, ohne sich zu sinnlosen halsbrecherischen Manövern hinreißen zu lassen. Er hat gewendet, ist bis zum Piazzale Zavattari die Via Tempesta entlanggefahren und hat dann die Umgehungsstraße genommen. Jetzt sind wir an der Piazza Bolivar und schlagen wer weiß was für eine Richtung ein. Er schweigt, und ich füge mich. Was könnten wir uns außerdem schon erzählen, er und ich, das wir nicht schon längst wüssten? Wir sind wie ein und dieselbe Person, auch wenn wir faktisch zwei verschiedene Schachfiguren repräsentieren.
Zwei unbedeutende Figuren, möchte ich hinzufügen, obwohl manche anderes behaupten würden.
Zielstrebig durchqueren wir eine Stadt, die zum Teil schon schläft und sich zum Teil darauf vorbereitet, in großem Stil ihre Laster zu pflegen. Man kann jeden Abend zum Galaabend machen, bis es eines Tages Mitternacht wird und man begreift, dass in Wahrheit kein einziger einer war.
Diese Erkenntnis ist kein schöner Moment.
Wir halten an einer Ampel, direkt neben einem Kiosk. Dort hängen die Titelblätter von Tageszeitungen und Illustrierten. Immer noch Aldo Moro und seine traurige Geschichte, dann der Prozess gegen die Roten Brigaden, Goldorak, Loredana Bertè und ihr neuer Flirt, die kommende Fußballweltmeisterschaft, Juventus versus Turin, bunte TV-Illustrierte, die Machenschaften von Präsident Leone.
Alles miteinander vermengt, an derselben Wand, in derselben Welt, im selben Leben. Mir ist das alles egal, sowohl die Machenschaften als auch die Menschen. In erster Linie vielleicht, weil ich selbst mir egal bin. Ich
Weitere Kostenlose Bücher