Der Frauenhaendler
und eine Aura der Verwahrlosung. Die Staubschicht, die alles bedeckt, werde ich nicht entfernen, und ich werde auch niemanden bitten, es für mich zu tun. Bis vor eineinhalb Jahren hat hier eine Person gewohnt, die sich gegenwärtig in San Vittore befindet.
Carmine Marrale ist einer der hässlichsten Männer der Welt und zudem Besitzer eines der größten Schwänze der Welt. Ersteres weiß ich, weil ich Augen im Kopf habe. Letzteres habe ich von dem einzigen meiner Mädchen erfahren, das bereit war, die fleischliche Vereinigung mit ihm zu vollziehen. Alle anderen hatten entsetzt Reißaus genommen.
Wir haben uns auf eine Weise kennen gelernt, die zwei Menschen entweder für immer voneinander forttreibt oder aber eine Beziehung begründet, die sie fortan allen Umständen zum Trotz aneinanderkettet. Er und ich sind Figuren in der klassischen Geschichte, die von einem Gott handelt, der jenen Brot gibt, die keine Zähne haben.
Es lebe die Ironie des Schicksals.
Ich war in der Nähe von Motta Visconti bei Mailand in einer abgelegenen Trattoria, die für ihre Froschgerichte bekannt und beliebt war. Frosch-Omelett, Frosch-Risotto, frittierte Frösche. Für Liebhaber einer solchen Küche lohnte sich der Weg allemal. Damals war es modern, an groben spartanischen Tischen zu sitzen und zu essen, was auf den Tisch kam. Den Wein trank man aus Flaschen ohne Etikett. Nicht selten traf man dort wichtige Leute aus Mailand oder solche, die sich für wichtig hielten. Ich war mit Personen dort gelandet, an deren Gesichter und Namen ich mich nicht mehr erinnere und die ich längst aus den Augen verloren habe. Das Einzige, woran ich mich erinnere, ist eine Frau, die mir gefiel, und außerdem meine schlechte Laune, die sich langsam von einem körperlichen Verlangen in ein seelisches verwandelte, das Verlangen, ein anderer zu sein, an einem anderen Ort. Als es mir irgendwann zu bunt wurde, stand ich auf und setzte fünfzig Prozent meiner Wünsche in die Tat um.
Auf der Schwelle blieb ich stehen und zündete mir eine Zigarette an. Ein Wagen mit drei Personen darin schoss aus der Ecke zu meiner Rechten vom Parkplatz herunter. Ich schaute zu, wie sich die Rücklichter entfernten und in der Dunkelheit verloren, verschleiert von einer Staubwolke, die von der unbefestigten Straße aufwirbelte. Es war eines dieser merkwürdigen Spielchen von Zufall, Wahrnehmung und Erinnerung, das dazu führte, dass ich mir das Nummernschild merkte.
Dann machte ich mich auf zu meinem Wagen, der ganz hinten auf dem Parkplatz stand. Auf halber Strecke spürte ich plötzlich, mehr als dass ich es sah, dass da ein Mann auf dem Boden lag.
Er versuchte vergeblich, sich vom Rücken auf die Seite zu drehen. Ich beugte mich über ihn und half ihm, sich aufzusetzen, begleitet von seinen halblaut gezischten Flüchen. Man brauchte nicht viel Licht, um zu erkennen, dass derjenige, der ihm diesen Dienst erwiesen hatte, mit harter Hand vorgegangen war.
Seine Nase war gebrochen, die Lippe aufgesprungen. Unmöglich, im Dämmerlicht die verschiedenen Blutergüsse zu zählen. Vermutlich war sein Körper nicht viel besser dran als sein Gesicht. Als er aufrecht saß, tropfte ihm das Blut vom Kinn aufs Hemd herab. Ich zog ein Taschentuch heraus und reichte es ihm.
»Ist etwas gebrochen?«
Er bewegte seine Beine und antwortete durch das leichte Gewebe hindurch, das er an seinen Mund presste.
»Ich glaube nicht.«
»Was ist passiert?«
»Die haben mich zusammengeschlagen. Zu dritt, diese Bastarde.«
»Kanntest du sie?«
»Sie trugen Sturmhauben. Scheißtypen ohne Mumm.«
»Soll ich einen Krankenwagen rufen? Du könntest innere Verletzungen haben.«
»Nein, keinen Krankenwagen. Keine Sanitäter.«
Zwischen den Zeilen gelesen, hatte das eine weitere Bedeutung: keine Polizei.
»Kannst du fahren?«
Bevor er antwortete, raffte er sich zu einer statistischen Erhebung seiner Energiereserven auf.
»Nein.«
Dann verfiel er auf mich.
»Ich gebe dir hunderttausend Lire, wenn du mich nach Hause bringst.«
Meine Antwort kam prompt.
»Zweihunderttausend.«
Seine Antwort kam ebenso prompt.
»Du bist ein Scheißkerl.«
»Ja. Aber ein Scheißkerl, der fahren kann. Ansonsten kannst du ja immer noch den Krankenwagen rufen.«
»Leck mich und hilf mir aufstehen.«
Ich zog ihn hoch, bis er auf beiden Beinen stand, und bekam eine weitere fantasievolle, mit religiösen Versatzstücken gespickte Litanei zu hören. Nachdem ich ihn in meinen Wagen verfrachtet hatte, fuhr ich in
Weitere Kostenlose Bücher