Der Frauenheld
entscheidende Punkt gewesen, bei dem sie sich einig waren, damals in den Sechzigern im College, als er der Studentengruppe Lambda Chi angehörte und sie die Lambda-Chi-Schönheitskönigin war – der erste Grund, der sie annehmen lassen konnte, sie seien vielleicht füreinander gemacht. Jetzt war das Jahre her, dachte Austin – zweiundzwanzig Jahre –, und alles war vorübergeglitten, unerreichbar.
Der kleine Laden schien drinnen aber eine Menge hübscher Dinge zu haben, die sich Austin tatsächlich leisten konnte – eine hölzerne Uhr, deren Zeiger man selbst bewegte, eine hölzerne Kopie des Eiffelturms, ebenso wie eine des Arc de Triomphe. Es gab auch ein kleines Negerkind aus Holz, das eine winzige rote und eine winzige grüne Wassermelone aus Holz in den Händen hielt und mit leuchtend weiß gemalten Zähnen lächelte. Das kleine Negerkind erinnerte Austin an Leo – ohne das Lächeln –, und er überlegte sich, es als Beispiel amerikanischer Volkskunst zu kaufen und Barbara mitzubringen.
In dem Laden schien die Verkäuferin zu glauben, daß er selbstverständlich dieses Stück wollte, und begann, es aus der Vitrine zu nehmen. Aber auf dem Ladentisch stand ein kleiner Weidenkorb mit bemalten Eiern, jedes für zwanzig Francs, und Austin nahm eines davon in die Hand, ein leuchtend grünes emailliertes Ei mit goldenem Paisleymuster aus perfekt gedrechseltem Balsaholz, das sich hohl anfühlte. Sie waren von Ostern übriggeblieben, dachte Austin, und vermutlich teurer gewesen. Es gab keinen Grund, weshalb Leo ein grünes Holzei mögen sollte, aber er mochte es, und Josephine würde es auch mögen. Wenn das Kind es einmal weglegte, weil es irgend etwas anderes vorzog, konnte Josephine es sich nehmen und es auf ihren Nachttisch legen oder auf ihren Schreibtisch im Büro und an ihn denken.
Austin bezahlte das hubbelige kleine Ei bei der Verkäuferin und ging zur Tür – er würde sich verspäten, weil er sich verlaufen hatte. Aber in dem Moment, als er die Glastür erreicht hatte, kam Josephines Ehemann herein, begleitet von einer hochgewachsenen, schönen, lebhaften blonden Frau, die braungebrannt war und dünne glänzende Beine hatte. Die Frau trug ein kurzes silberfarbenes Kleid, das ihre Hüften mit irgendeinem elastischen Stoff umhüllte, und sie wirkte auf Austin, der vollkommen überrascht danebenstand, reich. Josephines Ehemann – klein und gedrungen mit seinem dicken, dunklen, armenisch wirkenden Schnurrbart und seiner weichen dunklen Haut – war mindestens einen Kopf kleiner als die Frau und trug einen auf teure Weise formlosen schwarzen Anzug. Sie redeten miteinander in einer Sprache, die wie Deutsch klang, und Bernard – der Ehemann, der den schlüpfrigen Roman über Josephine geschrieben hatte und der ihr wenig Geld und seinem Sohn herzlich wenig Aufmerksamkeit gab, dessentwegen Josephine an eben diesem Nachmittag unterwegs sein würde, um die Scheidungsformalitäten zu erledigen –, Bernard war scheinbar entschlossen, in dem Laden ein Geschenk zu kaufen.
Bernard sah Austin kurz mißbilligend an. Seine kleinen, beinahe schwarzen Augen flackerten, als würde er ihn vage wiedererkennen. Obgleich es ein Wiedererkennen gar nicht geben konnte. Bernard wußte nichts von ihm, und es gab tatsächlich auch nichts zu wissen. Bernard hatte Austin mit Sicherheit noch nie zu Gesicht bekommen. Es war bloß seine Art, Leute so anzusehen, als hätte er ihre Telefonnummer und als mochte er sie nicht besonders. Warum, wunderte sich Austin, sollte das bei einem Mann eine attraktive Eigenschaft sein? Mißtrauen, Verachtung. Einer, der die Leute einschüchterte. Warum ein Arschloch wie ihn heiraten?
Austin blieb in der Ladentür stehen, sah von hinten in die Schaufensteranlage hinunter. Er musterte den kleinen hölzernen Eiffelturm und den Arc de Triomphe, sah, daß sie Teile eines ganzen kleinen Paris aus Holz waren, eines Bastelsatzes, mit dem ein Kind spielen und alles so aufstellen konnte, wie es ihm gerade einfiel. Eine hölzerne Notre Dame, einen hölzernen Louvre, einen Obélisque, ein Musée Pompidou, sogar ein kleiner hölzerner Odéon, wie der ein paar Schritte vom Laden entfernt. Die ganze Sammlung von Gebäuden war höllisch teuer – beinahe 3000 Francs –, aber man konnte die Stücke auch einzeln kaufen. Austin überlegte, ob er zusätzlich zu dem Emaille-Ei noch etwas kaufen sollte – ob er Josephine das Ei und Leo ein Miniaturgebäude geben sollte. Er stand da und starrte auf die kleine hölzerne
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