Der Frauenheld
Stadt hinunter, hinter der jenseits des Fensters die echte Stadt aus Metall und Stein gleichgültig weiterexistierte.
Bernard und seine blonde Freundin lachten über das kleine Negerkind, das seine rote und seine grüne Wassermelone hielt. Die Verkäuferin hatte es aus der Vitrine genommen, und Bernard hielt es hoch und lachte verächtlich. Ein- oder zweimal sagte Bernard »ein kleinör Neegör«, dann »voilà, voilà«, dann sagte die Frau etwas auf deutsch, und beide brachen wieder in Gelächter aus. Sogar die Ladenbesitzerin lachte hinter dem Ladentisch.
Austin spielte in seiner Hosentasche mit dem grünen Ei, einem Klumpen, der sich gegen sein Bein abzeichnete. Er überlegte, einfach zum Ladentisch zurückzugehen und das ganze verdammte Paris aus Holz zu kaufen und Bernard auf englisch zu sagen: »Ich kaufe das für Ihren Sohn, Sie Arschloch«, und ihm mit der Faust zu drohen. Aber das war eine schlechte Idee, und er hatte keine Lust auf Streit. Es gab sogar die vage Möglichkeit, daß der Mann überhaupt nicht Bernard war, daß er bloß so aussah wie das Bild in Leos Zimmer, und er wäre ein absoluter Idiot, ihn zu bedrohen.
Er griff in seine Tasche, befühlte die Emailleschicht des Eis und fragte sich, ob es ein angemessenes Geschenk war oder ob es lächerlich wirken würde? Die deutsche Frau drehte sich um und sah ihn an, noch immer ein spöttisches Lächeln auf den Lippen. Sie sah in Austins Gesicht, dann auf seine Tasche, wo seine Hand das kleine Ei festhielt. Sie beugte sich vor und sagte etwas zu Bernard, etwas auf französisch, und Bernard drehte sich um und schaute durch den Laden auf Austin, wobei seine Augen in einer Art verächtlicher Warnung schmal wurden. Dann hob er leicht das Kinn und drehte sich wieder um. Sie sagten beide noch etwas und lachten dann leise. Die Besitzerin sah Austin an und lächelte freundlich. Dann änderte Austin seine Meinung, was den Kauf der hölzernen Stadt anging, und öffnete die Glastür und trat auf den Bürgersteig hinaus, wo die Luft kühl war und er den kleinen Hügel zum Park hinaufsehen konnte.
5 In dem kleinen Vorort von Oak Grove, Illinois, wollte Austin sein gewöhnliches Leben ohne Umschweife wiederaufnehmen – täglich in sein Vorstadtbüro im nahe gelegenen Orchard Park fahren; als Trainer bei einer Little-League-Baseballmannschaft aushelfen, die von der Linoleumfirma eines Freundes in Oak Grove gesponsert wurde; die Abende zu Hause mit Barbara verbringen, die als Maklerin bei einer großen Immobilienfirma arbeitete und gerade eine ausgezeichnete Nach-Rezessions-Verkaufssaison erlebte.
Austin konnte fühlen, daß mit ihm etwas nicht stimmte, was ihn verwirrte. Aber Barbara hatte beschlossen, das tägliche Leben weiterzuführen, als merke sie nichts oder als sei, was immer ihn quälte, schlicht außerhalb ihrer Kontrolle – und da sie ihn liebte, würde sein Problem entweder im stillen gelöst oder vom normalen Fluß eines alltäglichen glücklichen Lebens davongetragen werden. Barbara hatte eine systematisch optimistische Weltanschauung: Bei der richtigen Einstellung fügt sich schon alles zum Besten. Sie sagte, das komme daher, daß in ihrer Familie alle schottische Presbyterianer gewesen seien. Und es war eine Weltanschauung, die Austin bewunderte, obwohl er die Dinge nicht immer so sah. Er meinte, das gewöhnliche Leben besitze das Potential, einen zu Staub zu zermahlen – das Leben seiner Eltern in Peoria zum Beispiel, ein Leben, das er nicht ertragen hätte –, und manchmal waren ungewöhnliche Maßnahmen erforderlich. Barbara sagte, dies sei eine typisch schäbige irische Haltung.
An dem Tag, als Austin zurückkam – in einen heißen, frühlingshaften Flughafen-Sonnenschein, mit Jetlag und angestrengt gutgelaunt –, hatte Barbara Rehkeule mit einer schweren, geheimnisvollen Feigensauce zubereitet, etwas, für das sie die Zutaten in einem ungarischen Viertel in West Diversey hatte aufspüren müssen, dazu Herzogin-Kartoffeln und geröstete Knoblauchzehen, die Austin besonders gerne mochte, dazu einen sehr guten Merlot, von dem Austin zuviel getrunken hatte, während er gewissenhaft über all das log, was er in Paris gemacht hatte. Barbara hatte sich ein neues Frühlingskleid gekauft, neue Strähnchen machen lassen und sich überhaupt große Mühe gegeben, um eine glückliche Heimkehr zu inszenieren und ihr unangenehmes mitternächtliches Telefongespräch vergessen zu machen. Obwohl Austin das Gefühl hatte, daß es eigentlich seine Sache
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