Der Frauenheld
sein sollte, diesen unschönen Augenblick aus ihrem Gedächtnis zu löschen und dafür zu sorgen, daß sein lang anhaltendes Eheleben erneut zu einer Quelle von andauerndem freundlichem Glück wurde.
Spät an jenem Abend, einem Dienstag, hatten Barbara und er kurz und angetrunken im Dunkel ihres Schlafzimmers miteinander geschlafen, die schweren Vorhänge zugezogen, begleitet vom Lärm des Spaniels eines Nachbarn, der eine Straße weiter ununterbrochen gebellt hatte. Es war ein geübter, undramatischer Akt, eine Folge von Konventionen und Annahmen, liebevoll absolviert wie eine Liturgie, die zwar noch auf die Mysterien und das Chaos verweist, die ihn einmal zu einer atemlosen Notwendigkeit gemacht hatten, aber in Wirklichkeit nicht mehr viel damit zu tun hat. An der Digitaluhr auf der Kommode las Austin ab, daß das Ganze neun Minuten gedauert hatte, von Anfang bis Ende. Er fragte sich düster, ob das die durchschnittliche oder weniger als die durchschnittliche Dauer bei Amerikanern in seinem und Barbaras Alter war. Weniger, nahm er an, aber das war ohne Zweifel sein Fehler.
Als sie danach schweigend im Dunkeln nebeneinander lagen und auf die weiße Gipsdecke starrten (der Hund des Nachbarn hatte mit dem Gekläffe aufgehört, als hätte er auf einen Wink eines verborgenen Zuschauers ihres Liebesakts reagiert), überlegten Barbara und er, was sie sagen sollten. Jeder wußte, daß der andere danach suchte; nach einem optimistischen, in die Zukunft weisenden Thema, das die letzten beiden, oder vielleicht waren es drei, Jahre, die zwischen ihnen nicht so großartig gewesen waren, wegzauberte – eine Zeit des Umherstreifens für Austin und des geduldigen Wartens für Barbara. Sie suchten nach etwas wenig Irritierendem, was sie mit einem Bild von sich selbst einschlafen lassen würde, wie sie zu sein meinten.
»Bist du müde? Du mußt ziemlich erschöpft sein«, sagte sie nüchtern in die Dunkelheit hinein. »Du armes, altes Stück.« Sie streckte die Hand aus und streichelte seine Brust. »Schlaf ein. Morgen fühlst du dich besser.«
»Ich fühle mich jetzt gut. Ich bin nicht müde«, sagte Austin lebhaft. »Wirke ich müde?«
»Nein. Eigentlich nicht.«
Sie schwiegen wieder, und Austin spürte, wie er sich beim Klang ihrer Worte entspannte. Er war tatsächlich todmüde. Aber er wollte, daß der Abend, der, wie er meinte, ein schöner Abend gewesen war, ein gutes Ende nahm, und damit auch seine Heimkehr und die Zeit, in der er fort gewesen war und sich auf eine lächerliche Weise in Josephine Belliard vernarrt hatte. Diese Begegnung – es gab natürlich keine Begegnung –, aber diese Erklärungen und Verstrickungen konnten als erledigt betrachtet werden. Sie konnten durch Disziplin überwunden werden. Sie waren nicht das wirkliche Leben – zumindest nicht der harte Kern des Lebens, das, wovon alles andere abhing –, ganz gleich, wie er sich einen Augenblick lang gefühlt und wie er aufbegehrt hatte. Er war kein Narr. Er war nicht so dumm, sein Gefühl für das Wesentliche zu verlieren. Er war ein Überlebenskünstler, dachte er, und Überlebenskünstler wußten immer, wo sie Boden fanden.
»Ich möchte bloß sehen, was jetzt möglich ist«, sagte Austin unerwartet. Er war schon halb eingeschlafen und hatte zwei Gespräche gleichzeitig geführt – eins mit Barbara, seiner Frau, und eins mit sich selbst über Josephine Belliard –, und sie gerieten nun durcheinander. Barbara hatte ihn nichts gefragt, worauf das, was er gerade gemurmelt hatte, auch nur im entlegensten eine logische Antwort war. Sie hatte ihn, soviel wußte er noch, überhaupt nichts gefragt. Er redete bloß vor sich hin, sprach fast schon im Schlaf; und eine kalte Furcht packte ihn und ließ ihn erstarren – daß er etwas gesagt hatte, halb im Schlaf und halb betrunken, was ihm leid tun würde, etwas, was ihn belastend mit der Wahrheit über Josephine in Verbindung bringen würde. Obwohl er in seinem gegenwärtigen Geisteszustand überhaupt nicht genau wußte, was diese Wahrheit sein könnte.
»Das sollte doch nicht so schwer sein, oder?« sagte Barbara aus dem Dunkel heraus.
»Nein«, sagte Austin und fragte sich, ob er wach war. »Wahrscheinlich nicht.«
»Wir sind zusammen. Und wir lieben uns. Was immer wir möglich machen wollen, sollten wir auch erreichen können.« Sie berührte sein Bein durch den Pyjama.
»Ja«, sagte Austin. »Das stimmt.« Er wünschte sich, Barbara würde jetzt einschlafen. Er wollte nichts mehr sagen. Ein
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