Der Frauenheld
seinem Zimmer gelehnt, während er ein Glas Champagner aus der Mini-Bar trank. Er trug seine blaue Pyjamahose, lag barfuß auf der Bettdecke und starrte quer durchs Zimmer auf sein eigenes Abbild in dem rauchigen Spiegel, der eine ganze Wand einnahm – ein Mann in einem Bett mit einer angeknipsten Nachttischlampe neben sich, ein Glas auf seinem Bauch. Was wünscht man sich am allermeisten, wenn man viel erlebt, auch ein wenig gelitten hat, durchgehalten hat, wenn man versucht hat, Gutes zu tun, wenn das Gute in Reichweite war? Was lehrt uns diese Erfahrung, wie können wir aus ihr profitieren? Daß die Erinnerung an den Schmerz wächst, dachte Austin, und sich allmählich als signifikante Last auf die Gegenwart legt – eine ernüchternde Last –, und was man unter diesen Voraussetzungen entdecken muß, ist, was dann noch möglich, aber auch kostbar und erstrebenswert ist zwischen Menschen, ohne daß sich viel ereignet.
Nicht gerade leicht, dachte Austin. Mit Sicherheit konnte das nicht jeder. Aber Josephine Belliard und er hatten es in einem zugegeben kleinen Rahmen geschafft, den Punkt gefunden, wo die Folgen ihres Kontakts nur positiv für beide waren. Kein Schaden. Keine Verwirrung. Dennoch nicht ohne Bedeutung. Natürlich war ihm klar, daß Josephine, wenn es nach ihm gegangen wäre, jetzt neben ihm im Bett läge; aber in weiß Gott was für einem aufgewühlten Zustand, während die Nachtstunden verstrichen und Sex die einzige Hoffnung auf Befriedigung war. Es war ein unangenehmer Gedanke. Genau da fing der Ärger an, und nichts wäre gewonnen gewesen – nur verloren. Aber sie beide hatten einen besseren Weg gefunden, was dazu geführt hatte, daß er jetzt allein in seinem Zimmer und mit allem recht zufrieden war. Er fühlte sich sogar tugendhaft. Er hob beinahe das Glas, um sich selbst im Spiegel zuzuprosten, bloß kam ihm das ein wenig lächerlich vor.
Er wartete eine Weile, bevor er Barbara anrief, denn er dachte, Josephine könne anrufen – eine schläfrige mitternächtliche Stimme aus dem Bett, eine Gelegenheit für sie, ihm noch irgend etwas zu sagen, irgend etwas Interessantes, vielleicht Ernstes, etwas, was sie nicht hatte sagen wollen, als sie zusammen im Auto saßen und einander berühren konnten.
Aber sie rief nicht an, und Austin ertappte sich dabei, auf das fremd aussehende Telefon zu starren, als wollte er es kraft seines Willens zum Klingeln bringen. Er hatte schon mehrere Minuten lang in Gedanken ein Gespräch zwischen sich und Josephine durchgespielt:
Er wünschte sich, daß sie jetzt hier wäre – das wollte er ihr sagen, obwohl er bereits beschlossen hatte, daß das eher unangenehm wäre. Dennoch dachte er daran, wie sie schlafend in ihrem Bett lag, allein, und ihn beschlich ein hohles Gefühl von Übelkeit. Dann dachte er aus irgendeinem Grund daran, wie sie damals den jungen Mann kennengelernt hatte, mit dem sie die verheerende Affäre gehabt hatte, jene Affäre, die ihre Ehe zerstört hatte. Er nahm den Hörer ab, um zu sehen, ob das Telefon funktionierte. Dann legte er wieder auf. Dann nahm er den Hörer wieder ab und rief Barbara an.
»Was hast du heute abend gemacht, Schatz? Hast du dich gut amüsiert?« Barbara war gutgelaunt. Sie war in der Küche und machte sich etwas zum Abendessen. Er konnte Töpfe und Pfannen klappern hören. Er stellte sie sich vor, hochgewachsen und schön, voller Selbstvertrauen, was ihr Leben anging.
»Ich habe eine Frau zum Essen ausgeführt«, sagte Austin schlicht. Bei der Verbindung gab es keine zeitliche Verzögerung – es war, als würde er aus dem Büro anrufen. Aber irgend etwas irritierte ihn. Das Geräusch der Töpfe, dachte er. Die Tatsache, daß Barbara es für so wichtig hielt, ihr Abendessen zu kochen, daß sie einfach weitermachte, während sie mit ihm redete. Sein Gefühl der Tugendhaftigkeit erlosch allmählich.
»Na, das ist ja wunderbar«, sagte Barbara. »Jemand Besonderes oder bloß irgendeine, die du an der Straßenecke aufgegabelt hast, weil sie hungrig aussah?«
Sie meinte es nicht ernst.
»Eine Frau, die bei Editions Périgord arbeitet«, sagte Austin ernst. »Eine Lektorin.«
»Wie nett«, sagte Barbara, und eine Spur von Gereiztheit klang in ihrer Stimme durch. Er fragte sich, ob es in seiner Stimme auch so ein Signal gab, etwas, was sie aufhorchen ließ, wie sehr er auch versuchte, natürlich zu klingen, etwas, das sie im Laufe der Jahre schon mal gehört hatte und was nicht zu verbergen war.
»Es war nett«, sagte
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