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Der Frauenheld

Der Frauenheld

Titel: Der Frauenheld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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ihn, und er war es wert, ganz gleich, in was für Schwierigkeiten man geriet, wenn man dann mit den Folgen leben mußte. Man lebt nur einmal, dachte Austin. Leb dich aus. Er hatte gehört, was er gehört hatte.
    An jenem Abend holte er Barbara im Maklerbüro ab und fuhr mit ihr zu einer Bar. Das machten sie oft. Barbara arbeitete häufig bis in den Abend, und sie beide mochten ein ziemlich protziges polynesisches Restaurant in Skokie, das Hai-Nun hieß, ein dunkles Lokal mit Teakholz und Bambus, wo alle Getränke als Doppelte serviert wurden, und wenn man schließlich zu betrunken war, um sich zu einem Tisch vorzuarbeiten, konnte man einen Grill-Teller bestellen und beim Abendessen an der Bar wieder ausnüchtern.
    Eine Weile hatte ein Bekannter von Austin, ein Rohstoffmakler namens Ned Coles, neben ihnen an der Bar gestanden (ihre Freunde kamen regelmäßig in dieses Lokal) und mit ihnen darüber geplaudert, daß die sonnigen Tage an der Handelskammer nun endgültig vorbei seien, und dann über die großen Chancen in Europa nach 1992 und daß die USA das Ganze wahrscheinlich verschlafen würden, dann darüber, wer nach dem Frühjahrstraining in der Universitätsmannschaft, den »Fighting Illini«, aufgestellt werden sollte, und schließlich über seine Exfrau Suzie, die in der nächsten Woche nach Phoenix ziehen wollte, damit sie mehr Leichtathletik machen konnte. Sie wollte an den »Iron Women«-Wettkämpfen teilnehmen.
    »Kann sie nicht in Chicago eine ›Iron Woman‹ sein?« sagte Barbara. Sie kannte Ned Coles kaum, und er langweilte sie. Neds Frau hatte vor, ihre beiden Kinder nach Arizona zu »entführen«, was Ned sehr deprimierte, aber er wollte nicht mit ihr darüber streiten.
    »Natürlich«, sagte Ned. Ned war korpulent und rot im Gesicht und wirkte älter als sechsundvierzig. Er hatte in Harvard studiert und war dann zurückgekehrt, um für die Firma seines alten Herrn zu arbeiten, und war schnell zum Säufer und Langweiler geworden. Austin hatte ihn in der M.B.A. -Abendschule vor fünfzehn Jahren kennengelernt. Sie luden sich nie gegenseitig nach Hause ein. »Aber das ist nicht das eigentliche Problem.«
    »Was ist das eigentliche Problem?« sagte Austin, der mit einem Eiswürfel in seinem Gin herumspielte.
    » Moi-même «, sagte Ned. »Ich.« Ned wirkte darüber ziemlich verbittert. »Sie behauptet, daß ich ein Kraftfeld negativer Energie bin, das in alle nördlichen Vorstädte ausstrahlt. Also müßte ich nach Indiana ziehen, damit sie hierbleiben kann. Und das ist ein viel zu großes Opfer.« Ned lachte humorlos. Ned kannte einen Haufen Indiana-Witze, die Austin alle schon gehört hatte. Indiana war, nach Ned Coles, der Ort, wo man das Flaggschiff der polnischen Marine sichtete und das Denkmal für die argentinischen Kriegshelden besuchte. Er war aus einer alten Chicagoer Familie, und er war, wie Austin fand, ein Idiot. Er wünschte Neds Frau eine gute Reise nach Arizona.
    Als Ned ins Restaurant davonschlenderte und Austin und Barbara an der lackierten Teakbar zurückließ, verstummte Barbara. Sie tranken beide Gin und ließen schweigend den Barmann noch einmal zwei auf Eis nachschenken. Austin wußte, daß er jetzt ein wenig betrunken war und daß Barbara wahrscheinlich noch etwas betrunkener war als er. Er spürte, daß da womöglich ein Problem lauerte – aber was für eins, da war er sich nicht sicher. Er sehnte sich nach dem Gefühl, das er gehabt hatte, als er an jenem Morgen nach dem Gespräch mit Josephine Belliard aufgelegt hatte. Überschwenglichkeit. Sich mit allen Sinnen lebendig zu fühlen. Es war ein flüchtiges Gefühl gewesen, das wußte er sehr wohl. Aber er sehnte sich nur um so schmerzlicher danach, gerade weil es eine Illusion war, harmlos und klein. Selbst Realisten, dachte er, brauchten hin und wieder eine Pause.
    »Erinnerst du dich an den Abend neulich?« fing Barbara an, als ob sie ihre Worte mit äußerster Sorgfalt wählte. »Du warst in Paris und ich war hier zu Hause. Und wie ich dich fragte, ob du glaubst, daß du mich vielleicht für selbstverständlich nimmst?« Barbara schaute konzentriert auf den Rand ihres Glases, aber dann sah sie schnell auf und blickte ihm in die Augen. An der Bar stand noch ein Paar, und der Barmann hatte sich auf einen Hocker ans Ende der Theke gesetzt und las schweigend Zeitung. Es war die Zeit, in der man Dinner aß, und viele Leute waren im Restaurant. Jemand hatte ein Gericht bestellt, das flambiert an den Tisch gebracht wurde, und Austin

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