Der Frauenheld
konnte die gelbe Flamme sehen, die bis an die Decke leckte, das laute Zischen hören und wie die entzückten Gäste »Oooh« sagten.
»Ich fand nicht, daß das stimmt«, sagte Austin leise, um auf ihre Fragen zu antworten.
»Ich weiß, daß du das nicht fandst«, sagte Barbara und nickte langsam mit dem Kopf. »Und vielleicht hast du vollkommen recht. Vielleicht hatte ich unrecht.« Sie starrte wieder auf ihr Glas Gin. »Was aber stimmt, Martin, und was ich schlimmer finde – was dich anbelangt –, ist, daß du dich selbst für selbstverständlich nimmst.« Barbara nickte immer noch mit dem Kopf, ohne ihn dabei anzusehen, als hätte sie ein interessantes, aber beunruhigendes philosophisches Paradoxon entdeckt. Wenn Barbara wütend auf ihn war, besonders wenn sie ein bißchen betrunken war, nickte sie mit dem Kopf und sprach in dieser übergenauen Art, als hätte sie sich schon vorher eine Menge Gedanken zu dem jeweiligen Thema gemacht und wünschte nun, ihre Schlußfolgerungen als einen Beitrag zum gesunden Menschenverstand herauszustellen. Austin nannte diese Angewohnheit »die Zutaten vom Molotowcocktail ablesen«, und er mochte sie nicht und wünschte, Barbara würde das nicht tun, obwohl es nie einen passenden Augenblick gab, ihr das einmal zu sagen.
»Es tut mir leid, aber ich glaube nicht, daß ich verstehe, was du damit meinst«, sagte er im normalsten Tonfall, zu dem er fähig war.
Barbara sah ihn neugierig an, und ihre vollkommenen Lambda-Chi-Schönheitsköniginnen-Züge waren inzwischen so scharfgeschnitten und kantig wie ihre Worte. »Was ich meine, ist, daß du glaubst – von dir selbst glaubst –, daß dich nichts verändern kann. In deinem Inneren, meine ich. Du hältst dich selbst für etwas Gegebenes, als ob es, wenn du in irgendein fremdes Land verschwindest und da etwas erlebst – als ob das keinerlei Wirkung auf dich hätte, dich nicht verändert zurückläßt. Aber das stimmt nicht, Martin, weil du dich verändert hast. Du bist sogar unnahbar geworden, und du bist schon lange so. Seit zwei oder drei Jahren. Ich habe einfach versucht, mit dir auszukommen und dich glücklich zu machen, weil dich glücklich zu machen auch mich immer glücklich gemacht hat. Aber jetzt tut es das nicht mehr, weil du dich verändert hast und ich nicht mehr das Gefühl habe, daß ich noch an dich herankommen kann oder daß du auch nur spürst, wie du geworden bist, und offen gesagt, es interessiert mich auch nicht. All dies kam mir auf einmal in den Kopf, als ich heute nachmittag die Klärung eines Eigentumsanspruchs in Auftrag gegeben habe. Es tut mir leid, daß es wie ein Schock kommt.«
Barbara schnaubte und sah ihn an und schien zu lächeln. Sie war nicht kurz davor, in Tränen auszubrechen. Ihre Augen waren kalt, und sie war jetzt so sachlich, als ob sie von dem Tod eines entfernten Verwandten berichtete, der keinem von ihnen besonders nahegestanden hatte.
»Es tut mir leid, das zu hören«, sagte Austin langsam, der so ruhig bleiben wollte wie sie, wenn auch nicht so kalt. Er wußte nicht genau, was dies alles bedeutete oder was dazu geführt hatte, da er nicht das Gefühl hatte, irgend etwas falsch gemacht zu haben. Er konnte sich an nichts erinnern, das vor zwei oder drei Jahren passiert wäre. Josephine Belliard hatte eine gewisse Wirkung auf ihn gehabt, aber das würde vorbeigehen, so wie alles vorbeiging. Es hatte so ausgesehen, als würde das Leben weitergehen. Er hatte sogar angenommen, daß er sich so normal verhalten hatte, wie es überhaupt nur ging.
Aber bedeutete das, daß sie ertragen hatte, was sie ertragen wollte, und nun fertig war mit ihm? Das wäre wirklich ein Schock, dachte er, und etwas, was nicht passieren sollte. Oder wollte sie ihm damit nur sagen, daß er sich ein bißchen mehr Mühe geben und wieder offener werden sollte, wieder der nette Kerl sein sollte, der er einmal gewesen war und der ihr besser gefallen hatte – mit seiner netten Art, von der er sagen würde, daß er sie immer noch besaß. Oder vielleicht sagte sie ihm mit alldem bloß, daß sie selbst vorhatte, sich dramatisch zu verändern, nicht mehr so viel verzeihen, nicht mehr so interessiert an ihm, nicht mehr so liebevoll sein wollte, sondern sich mehr nach ihren eigenen Gefühlen richten würde, daß sie in ihrer Ehe einen neuen, gerechteren Weg einschlagen sollten – noch etwas, dessen Klang er nicht mochte.
Er saß da in dem Schweigen, das sie ihm genau zu diesem Zweck gewährte. Er mußte ihr natürlich
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