Der Frauenheld
eine Antwort geben. Er mußte intelligent und offen auf ihre Vorwürfe eingehen und Verständnis für ihren Standpunkt zeigen, für den sie zu kämpfen bereit schien, aber er mußte auch seine eigene Position vertreten und gleichzeitig einen vernünftigen Ausweg aus dieser scheinbaren Sackgasse anbieten. Mit anderen Worten, von ihm wurde viel erwartet. Er sollte letztlich alles lösen; er sollte beide Standpunkte einnehmen – ihren und seinen – und sie irgendwie zusammenführen, so daß alles entweder wieder so war, wie es einmal gewesen war, oder aber besser, so daß beide glücklicher waren und das Gefühl haben konnten, daß, wenn das Leben schon eine Folge gefährlicher Steilhänge war, die man nur unter Schwierigkeiten erklomm, man am Ende zumindest sein Ziel erreichte, woraufhin der reichliche Lohn des Glücks für all die Alpträume entschädigte.
Es war eine bewundernswerte Lebenseinstellung, dachte Austin. Es war eine gesunde, traditionelle Einstellung, eindeutig von amerikanischem Zuschnitt, eine, die jeden mit strahlenden Augen und voller Zuversicht vor den Altar schickte. Es war eine Einstellung, die Barbara immer beibehalten hatte und um die er sie immer beneidete. Barbara war von amerikanischem Zuschnitt. Das war einer der Hauptgründe, warum sie ihn vor Jahren so umgehauen hatte und warum er wußte, daß sie die beste Person sein würde, die er oder irgendein anderer je lieben könnte. Nur wußte er in diesem Augenblick nicht, was er tun konnte, um ihre Wünsche sich erfüllen zu lassen, wenn er überhaupt wußte, was ihre Wünsche waren. So daß er, nachdem er eingeräumt hatte, daß es ihm leid täte zu hören, was sie gerade gesagt hatte, meinte: »Ich glaube nur, daß ich da nichts tun kann. Ich wünschte, ich könnte es. Es tut mir wirklich leid.«
»Dann bist du einfach ein Arschloch«, sagte Barbara und nickte wieder sehr selbstsicher, sehr endgültig. »Und du bist außerdem ein Frauenheld und ein mieser Typ. Und ich möchte mit alldem nicht mehr verheiratet sein. Basta.« Sie leerte mit einem großen Schluck ihr Glas Gin und setzte das schwere Glas hart auf dem feuchten kleinen Untersetzer ab. »Basta«, sagte sie noch einmal, als bewundere sie ihre eigene Stimme, »leck mich am Arsch. Und auf Wiedersehen.« Und damit stand sie auf und ging mit sicherem Gang direkt auf den Ausgang des Hai-Nun zu (und zwar so entschlossen, daß sich Austin nicht fragte, ob sie in ihrem Zustand überhaupt Auto fahren konnte) und verschwand hinter der Bambusecke, gerade als eine weitere dicke gelbe Flammenzunge im Dunkel des Speiseraums aufloderte, ein weiteres heißes, lautes Zischen emporstieg und ein weiteres »Oooh« der verzückten Gäste ertönte, von denen einige sogar klatschten.
Natürlich war dies alles eine Überreaktion, was Barbara anbelangte, dachte Austin. Erstens wußte sie überhaupt nichts von Josephine Belliard, weil es nichts zu wissen gab. Keine belastenden Fakten. Sie stellte nur Vermutungen an, und noch dazu unfaire. Aller Wahrscheinlichkeit nach fühlte sie sich einfach selbst schlecht und hoffte, ihn dafür verantwortlich machen zu können. Zweitens war es nicht leicht zu sagen, wie man sich in Wahrheit fühlte, wenn es nicht das war, was derjenige, den man liebte, gerne hören wollte. Er hatte sein Bestes getan, als er gesagt hatte, daß er nicht sicher sei, wie er sie glücklich machen könnte. Das war doch ein Anfang. Er hatte gedacht, daß ihre Bestimmtheit zu Beginn des Gesprächs nur eine Strategie gewesen sei, um eine bessere Ausgangsposition zu haben, und daß womöglich ein großer Streit heraufzog, aber es wäre ein Streit gewesen, den sie im Laufe des Abends hätten klären können, worauf sie sich nach einer Versöhnung beide besser gefühlt hätten, erleichtert. So war es auch in der Vergangenheit gewesen, als er sich vorübergehend von einer anderen Frau angezogen fühlte, die er weit weg von seinem gewöhnlichen Leben kennengelernt hatte. Der ganz normale Lauf der Dinge, dachte er.
Frauen waren manchmal eine Art Problem – er war gern mit ihnen zusammen, hörte gern ihre Stimmen, erfuhr gern etwas von dem privaten Bereich ihres Lebens und ihren täglichen Dramen. Aber wann immer er versuchte, sie näher kennenzulernen, blieb er hinterher mit einem merkwürdigen Gefühl zurück, als ob er Geheimnisse hätte, die er nicht für sich behalten wollte, und auf der anderen Seite hatte er die Empfindung, als bleibe ein Bereich seines Lebens – besonders seines Lebens mit
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