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Der Frauenheld

Der Frauenheld

Titel: Der Frauenheld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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aus Metall. Er konnte die anderen Telefone in den anderen Zimmern läuten hören. Es war plötzlich unerträglich chaotisch im Haus. In wilder Eile kritzelte er »Ich rufe Dich an. In Liebe M« unter »Liebe B« und schob den Zettel unter das bimmelnde Telefon. Dann lief er eilig zur Eingangstür, griff nach seinem Koffer und trat aus seinem leeren Haus in die milde Frühlingsnacht der Vorstadt hinaus.

    6 Während der ersten paar entmutigenden Tage, als Austin wieder in Paris war, rief er Josephine Belliard nicht an. Es gab dringendere Probleme; über schreckliche Telefonverbindungen unbezahlten Urlaub von seinem Job als Papiervertreter gewährt zu bekommen. »Persönliche Probleme«, sagte er mit einem unangenehmen Gefühl zu seinem Chef und war sich, als er das sagte, sicher, daß sein Boß daraus schließen würde, daß er einen Nervenzusammenbruch gehabt hatte. »Wie geht’s Barbara?« sagte Fred Carruthers fröhlich, was ihn ärgerte.
    »Barbara geht’s großartig«, hatte er gesagt. »Ihr geht’s prima. Rufen Sie sie doch selbst an. Sie würde gern von Ihnen hören.« Dann legte er mit dem Gedanken auf, daß er Fred Carruthers nie wieder sehen würde und daß ihm das, wenn es so käme, scheißegal wäre, bloß hatte seine eigene Stimme verzweifelt geklungen, genauso, wie er nicht hatte klingen wollen.
    Er ließ sich von seiner Bank in Chicago Geld schicken – genug, dachte er, für sechs Monate. Zehntausend Dollar. Er rief einen von zwei Leuten an, die er in Paris kannte, einen früheren Lambda-Chi-Bruder und Möchtegern-Romancier, der homosexuell war und irgendwo in Neuilly lebte. Dave fragte ihn, ob er jetzt auch schwul sei, und lachte sich dann halbtot. Zuletzt aber fiel ihm ein, daß er einen Freund hatte, der einen Freund hatte – und schließlich, nach zwei unruhigen Nächten in seinem alten Hôtel de la Monastère, in denen er sich vor allem wegen des Geldes Sorgen gemacht hatte, erhielt er den Schlüssel zu dem Luxusserail einer Schwuchtel mit lauter Samt und Metall und enormen Spiegeln an der Schlafzimmerdecke, in der rue Bonaparte, ganz in der Nähe des Deux Magots, wo Sartre angeblich gern in der Sonne gesessen und nachgedacht hatte.
    In diesen ersten Tagen – hellen, milden Apriltagen – litt Austin sehr unter Jetlag, war erschöpft und sah im Badezimmerspiegel krank und gequält aus. Er wollte Josephine in diesem Zustand nicht sehen. Er war nur drei Tage zu Hause gewesen, hatte dann in den wenigen Stunden eines einzigen wilden Abends einen riesigen Streit mit seiner Frau gehabt, war zum Flughafen gefahren, hatte die ganze Nacht auf einen Flug gewartet und war dann Stand-By auf einem engen Sitzplatz zwischen zwei französischen Kindern nach Orly geflogen. Es war verrückt. Ein großer Teil davon war entschieden verrückt. Wahrscheinlich durchlitt er tatsächlich gerade einen Nervenzusammenbruch und war zu überdreht, um auch nur eine Ahnung davon zu haben, und am Ende würden Barbara und ein Psychiater kommen müssen, um ihn mit Beruhigungsmitteln vollgepumpt und in einer Zwangsjacke nach Hause zu bringen. Aber dazu käme es erst später.
    »Wo bist du?« sagte Barbara kalt, als er sie schließlich zu Hause erreichte.
    »In Europa«, sagte er. »Ich bleibe eine Weile hier.«
    »Wie schön für dich«, sagte sie. Er konnte spüren, daß sie nicht wußte, was sie von der ganzen Sache halten sollte. Es machte ihm Spaß, sie zu verblüffen, obwohl er auch wußte, daß das kindisch war.
    »Carruthers ruft dich vielleicht an«, sagte er.
    »Ich habe schon mit ihm gesprochen«, sagte Barbara.
    »Er denkt bestimmt, daß ich durchgeknallt bin.«
    »Nein. Das denkt er nicht«, sagte sie, ohne ihm zu verraten, was er denn dachte.
    Draußen war der Verkehr auf der rue Bonaparte so laut, daß er sich vom Fenster wegbewegte. Die Wände in der Wohnung waren mit dunkelrotem und grünem Veloursstoff bespannt, an denen schimmernde abstrakte Objekte aus Stahlrohr angebracht waren, und es gab einen dicken schwarzen Samtteppichboden und Möbel. Er hatte keine Ahnung, wer der Besitzer war, obwohl ihm genau in diesem Augenblick klarwurde, daß der Besitzer aller Wahrscheinlichkeit nach tot war.
    »Hast du vor, die Scheidung einzureichen?« sagte Austin. Es war das erste Mal, daß das Wort erwähnt wurde, aber es war unausweichlich, dachte er, und es befriedigte ihn sogar leicht, daß er der erste war, der es ins Spiel gebracht hatte.
    »Ich weiß noch gar nicht, was ich tun werde«, sagte Barbara. »Offenbar habe

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