Der Frauenjäger
können.»
«Ist sogar mir bekannt», spottete Fischer. «Heutzutage gibt es für jedes Problem ein Labor, das die Lösung finden kann, solange man dafür bezahlt. Mich interessiert einfach nur, ob Heidrun Merz dieses Band tatsächlich einem Labor überlassen hat.»
«Das hat sie nicht gesagt», antwortete Marlene wahrheitsgemäß. «Wir haben auch nicht danach gefragt.»
Fischer betrachtete sie nachdenklich: «Wenn ich nur wüsste, ob und wie viel ich Ihnen jetzt glauben darf. Sie kennen doch sicher den Spruch: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er dann die Wahrheit spricht. Wenn Sie Heidrun Merz am Mittwochabend zum ersten Mal gesehen haben und Mona überhaupt nicht kannten, wessen Gemütszustand haben Sie denn gestern so bewegend geschildert? Das waren doch hoffentlich keine eigene Erfahrungen?»
«Nein.» Sie schaffte es, unverfänglich zu lachen. «So ähnlich war Lucy Jordan zumute, ehe sie vom Dach sprang.»
Er runzelte wieder die Stirn. «Wem?»
«Lucy Jordan», wiederholte Marlene den Namen. «Kennen Sie das Lied von Marianne Faithfull nicht?»
Als er den Kopf schüttelte, begann sie leise zu singen:
«The morning sun touched lightly on
the eyes of Lucy Jordan
In a white suburban bedroom,
in a white suburban town
As she lay there ’neath the covers,
dreaming of a thousand lovers
Till the world turned to orange,
and the room went spinning round.»
Er grinste wieder und forderte: «Singen Sie weiter. Sie haben eine schöne Stimme.»
«Ich trete damit aber nur in Ausnahmefällen öffentlich auf»,erklärte sie. «Gestern, das war so eine Ausnahme. Darf ich Sie jetzt auch mal etwas fragen?» Seine Antwort wartete sie nicht ab. «Sie sprachen am Mittwochabend von drei Vierteln, mit denen Heidrun Merz hinter dem Berg halten würde. Das klang für mich so, als ob Sie eine Menge mehr wüssten, als im Buch steht.»
Jetzt nickte er und lachte so wie am Telefon. «Das kann man wohl sagen. Ich recherchiere ja auch schon eine Weile.»
«Aber Sie reden nicht über die drei Viertel?», fragte Marlene.
Er betrachtete sie wieder nachdenklich, trank seinen Kaffee aus und meinte dann: «Damit Sie morgen im Rundfunk damit brillieren? Oder im Fernsehen? Wenn jemand aus der Redaktion
Wo bist du?
Sie gestern gehört hat, gibt es vielleicht doch noch einen Beitrag über Monas Verschwinden. Mit Ihnen als bester Freundin der verstorbenen Schwester. Oder meinen Sie, die hätten mehr Skrupel als Karola Jäger? Die Einschaltquote zählt, weiter nichts.»
«Welche Skrupel die haben, kann ich nicht beurteilen», sagte Marlene. «Aber ich versichere Ihnen, das gestern war mein erster und letzter öffentlicher Auftritt. Wenn ich vorher geahnt hätte, was dabei rauskommt, hätte ich mich nie darauf eingelassen.»
«Na schön», meinte er gönnerhaft. «Da will ich mal nicht so sein und Ihnen trauen.»
Dann begann er zu erzählen: dass Heidrun Merz schon vor Monas Verschwinden ein Verhältnis mit Josch hatte. Mona war nach der zweiten Fehlgeburt unfruchtbar und litt angeblich sehr darunter. Vielleicht war sie deshalb so oft ins Theater, die Oper, Kunstausstellungen und Konzerte gegangen. Und noch öfter mit ihrer jeweiligen Begleitung in eine Jagdhütte in der Eifel gefahren. Ausnahmsweise hatte sie auch mal mit einem Hotelzimmer vorliebgenommen, worunter der arme Josch litt, als er dahinterkam. Kreditkartenabrechnungen und detaillierte Telefonrechnungen konnten auch Nachteile haben.
Um Schwester und Schwager gleichermaßen zu helfen, schlug Heidrun vor, als Leihmutter ein Kind für Mona auszutragen. Weil es mit der künstlichen Befruchtung auch im dritten Anlauf nicht klappte, entschloss man sich ganz leger unter Geschwistern, es mal auf die natürliche Weise zu probieren.
«Das kann allerdings auch ein wenig anders gewesen sein», räumte Fischer ein. «Möglicherweise ist meiner Quelle mit der künstlichen Befruchtung ein Bär aufgebunden worden. Der wievielte natürliche Versuch dann von Erfolg gekrönt wurde, weiß ich auch nicht. Fest steht jedoch, dass es bei ihrer Probiererei – vielleicht auch schon vorher – zwischen Josch und Heidrun mächtig gefunkt hat.»
Er setzte seine Tasse noch einmal an, doch die war leer. Also stellte er sie wieder hin und sprach weiter: «Heidrun war im fünften Monat, als ihr Freund sie und Josch im Bett erwischte. Als weiteren Versuch konnte man das schwerlich auslegen. Heidruns Freund war ein ziemlich labiler Typ. Er hatte ohnehin seine Schwierigkeiten mit dem
Weitere Kostenlose Bücher