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Der Frauenjäger

Der Frauenjäger

Titel: Der Frauenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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überdenken und den Alkoholismus der Autorin in einem anderen Licht zu sehen.
    Ein Kind vom Schwager für die Schwester. Sich in den Schwager verliebt. Und die depressive, lästige, überflüssige Schwester, die sich Callboys kaufte, in den Selbstmord getrieben oder eigenhändig aus dem Weg geräumt? Was war glaubhafter?
    Als die S-Bahn endlich kam, war sie so voll, dass es keine Sitzplätze gab. Marlene grübelte im Stehen weiter, malte sich eine dramatische Herz-Schmerz-Geschichte mit grauslichem Ende aus, die so mancher Schmonzettenautorin zur Ehre gereicht hätte. Auf der Landstraße fand sie noch mehr Zeit zum Fabulieren. Das Verkehrsaufkommen an einem Freitag zwischen sechs und sieben war entschieden höher als erwartet. Und Werner war allen Erwartungen zum Trotz schon daheim.
    In
Monas Tagebuch
vertieft, saß er vor einer Tasse mit einem Rest Kaffee und einem mit Sahneklecksen und Schokostreuseln beschmierten Teller am Esstisch. Als sie durch die Diele kam, schaute er auf.
    «Wie nett, dass wenigstens du endlich nach Hause findest», begrüßte er sie. «Ich dachte, wir machen uns einen gemütlichen Nachmittag mit Kaffee und Kuchen, habe eigens Torte besorgt. Aber als ich kam, waren alle ausgeflogen.»
    «Die Kinder sind nachmittags nur selten hier», sagte Marlene, legte ihre Tasche ab und hängte ihre Jacke an den Garderobenhaken.
    «An die Kinder habe ich auch nicht gedacht», erwiderte er. «Ich habe nur zwei Stück Torte mitgebracht. Deins steht im Kühlschrank. Wo warst du denn die ganze Zeit? Ich warte seit halb fünf.»
    Sie hätte nicht sagen können, ob er enttäuscht oder ungehalten war. Vielleicht sogar wütend, wobei er sich bemühte, es sie nicht merken zu lassen.
    «Tut mir leid», ging sie in die Defensive. «Ich habe nicht erwartet, dass du so früh   …»
    «Das habe ich dir doch heute Morgen angekündigt.»
    «Du hast nur gesagt, du willst zusehen, dass es nicht zu spät wird. Von halb fünf hast du nicht gesprochen. Ich dachte, du kommst wie gestern so gegen acht.»
    «Du dachtest?»
    So hatte er noch nie mit ihr gesprochen. Marlene fasste es nicht. In ihrem Hinterkopf wisperte Karola von der tickenden Zeitbombe, die hochging, wenn die gewohnte Ordnung durcheinandergeriet. Fehlte nur, dass er anfügte: «Ich wusste gar nicht, dass du denken kannst.»
    Stattdessen fragte er: «Hast du mal überlegt, was ich denke, wenn ich nach Hause komme, keiner ist da, und keiner kann mir sagen, wo du steckst? Ich habe Annette angerufen, ich habe Karola angerufen, die Kinder selbstverständlich und Ulla nicht zu vergessen. Ich dachte, du bist vielleicht mit ihr unterwegs, um ein Auto zu kaufen. Die Ärmste fiel aus allen Wolken, als ich sie fragte, ob ihr schon etwas Schnuckeliges gefunden habt.»
    «Entschuldige», sagte Marlene in etwa demselben Ton, den sie frühmorgens zum ersten Mal angeschlagen hatte. «Ich wusste nicht, dass ich jedes Mal eine Nachricht hinterlassen muss, wenn ich aus dem Haus gehe. Warum kaufen wir keinen Peilsender? Den könnte ich mir ans Bein binden. Oder noch besser: so eine Fußfessel für Strafgefangene mit Hausarrest. Dann weißt du zu jeder Tages- und Nachtzeit, wo ich bin.»
    Werner sah wohl sofort ein, dass er zu weit gegangen war, murmelte seinerseits «Entschuldige» und klopfte sich mit einer Hand auf den rechten Oberschenkel. «Komm her.»
    Sie tat ihm den Gefallen, setzte sich auf seinen Schoß und ließ zu, dass er sie mit beiden Armen umfing. Er presste sein Gesicht in ihren Nacken und murmelte weiter: «Ich will dich nicht überwachen. Aber ich will dich noch weniger verlieren. Ich habe mir Sorgen gemacht, verstehst du das nicht? Gestern erzählst du mir, dass du so traurig bist wie die Frau in diesem Buch. Heute komme ich in ein verlassenes Haus und lese, was in dieser Frau vorgegangen ist, ehe sie sich mit einem Sexmonster einließ.»
    Hatte er tatsächlich Angst um sie gehabt? Oder nur Angst, sie könne ihn betrügen? Seine Haltung und etwas in seiner Stimme irritierten sie. Es schien fast, als wäre er verunsichert, was gar nicht zu ihm passte. Es fehlte nicht viel, dann hätte sie ihm verraten, dass
Monas Tagebuch
vielleicht nichts weiter war als der Versuch einer mörderischen Schwester, von sich und dem Vater ihres Kindes abzulenken.
    Aber Werner hätte garantiert gefragt, woher sie diese Weisheit hatte. Und ihm jetzt zu erzählen, dass sie sich mit einem Journalisten getroffen hatte, einem fremden Mann. Das musste er wirklich nicht erfahren, wo er so

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