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Der Frauenjäger

Der Frauenjäger

Titel: Der Frauenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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ihn zu fragen, warum er das tat, welchen Kick es ihm gab. Sie wollte auch nicht in Versuchung geraten, ihn anzubetteln. «Lass mich gehen. Ich werde dich nicht verraten.» Natürlich würde sie. Sobald er sie in die Nähe eines funktionierenden Telefons ließ. Und das wussten sie beide.
    Irgendwann begann sie doch zu reden, mit der ausgedörrten Kehle war es nur ein Krächzen. «Werner hängt dir das Kreuz aus, wenn er dahinterkommt, wem er mein Verschwinden verdankt. Und er wird schnell dahinterkommen, das garantiere ich dir.»
    Während sie sprach, schoss ihr noch einmal der Verdacht durch den Kopf, der in den vergangenen Stunden verhindert hatte, dass sie in Todesangst erstarrte oder in hysterische Aktivitäten verfiel – wie die Frauen vor ihr. Sie ging von zweiOpfern aus: Barbara König und eine Unbekannte – vielleicht Mona Thalmann. Zu irgendeiner musste das astförmige Teil mit dem Knubbel ja gehört haben, das sie als Fackel verwendet hatte. So wollte sie nicht enden, irgendwann einmal, aber nicht jetzt und nicht hier. Und da kam ihr die Idee, ihm eine goldene Brücke zu bauen.
    «Oder hat Werner dich gebeten, mir einen Denkzettel zu verpassen, weil ich in letzter Zeit oft unzufrieden war und nicht mehr zu schätzen wusste, was er mir alles bietet?»
    Zehn zittrige Atemzüge lang wartete sie auf eine Reaktion. Als die ausblieb, fragte sie: «Was machen wir nun? Fahren wir zurück und tun so, als hätten wir einen Ausflug in die Unterwelt gemacht, bei dem ich gestürzt bin und mir die Knie aufgeschlagen habe? Viel mehr ist mir ja bisher nicht passiert. Ich habe nur eine Handtasche gefunden.»
    Sie überlegte, ob sie auch ihre Fackel erwähnen sollte. Gesehen hatte er garantiert, was ihr da in die Finger gefallen war. Aber sie musste es ja nicht unbedingt als das erkannt haben, was es war. Antwort bekam sie nicht. Das grüne Glimmen bewegte sich um keinen Zentimeter. Sie ließ ihm noch etwas Zeit für den Rückzug, schlug vor: «Denk mal darüber nach», und verteilte den Inhalt der Handtasche auf ihre Kleidung.
    Die Geldbörse und das Band mit den Schlüsseln und dem verräterischen Christophorus fanden Platz in den äußeren Jackentaschen. Dafür nahm sie den scharfkantigen Stein heraus, den wollte sie ab sofort lieber in der Hand halten.
    Das Handy schob sie in die eigens dafür vorgesehene und bislang ungenutzte Innentasche. Feuerzeug und Zigarettenschachtel brachte sie in den Gesäßtaschen der Hose unter. Zwar schien es blödsinnig, ein leeres Feuerzeug und eine Schachtel mit fünf Zigaretten mitzuschleppen, wo sie doch nicht rauchte. Aber es widerstrebte ihr, etwas zurückzulassen, von dem sie noch nicht wusste, wann und ob sie es eventuell brauchte.
    Das Feuerzeug war ohne Gas wohl vollkommen nutzlos. Zigaretten jedoch enthielten Nikotin. Nikotin war ein Gift. Ein oder zwei Zigaretten konnten ein Kleinkind töten, wenn es den Tabak in den Mund nahm. Vielleicht reichten fünf Zigaretten für eine Frau, die nicht wusste, wie sie einem sadistischen Psychopathen sonst entkommen sollte.
    Wenn er darauf spekulierte, dass sie zu Barbara König in den Graben sprang – wahrscheinlich lief deshalb die ganze Zeit Lucy Jordan, das war die Aufforderung, den Schritt über die Kante zu tun   –, hoffte er allerdings vergebens. Viel zu unsicher.
«Ich werde sterben, mein Bein ist gebrochen.»
Langsam zugrunde gehen wollte sie um keinen Preis. Lieber ein schnelles Ende mit Schrecken als ein Schrecken, dessen Ende auf sich warten ließ.
    Einen der Kaugummistreifen steckte sie zum Feuerzeug, den anderen in den Mund. Er war besser als das Steinchen, das sie immer noch lutschte, um den Speichelfluss anzuregen. Barbara König hätte bestimmt nichts dagegen, brauchte doch keinen Kaugummi mehr.
    Als sie wieder aufschaute, glimmte es ein Stück weiter vorne unverändert grün. «Okay», sagte sie. «Du willst es durchziehen bis zum bitteren Ende. Dann hast du aber mehr davon, wenn du mich vorbei und zum Wasser lässt. Ohne Nahrung halte ich vielleicht einige Wochen durch. Ohne Wasser nur ein paar Tage. Das weißt du vermutlich besser als ich.»
    Keine Reaktion. «Gut», sagte sie. «Dann komme ich jetzt.» Sie schob die linke Hand in den leeren Kunstlederbeutel und benutzte ihn wie einen Wischlappen, während die rechte den scharfkantigen Stein umklammert hielt.

Wer einmal lügt   …
    16.   Januar 2010 – Samstag
    Nach dem ausgedehnten Frühstück hatte Werner kein anderes Thema als den Freund, den Karola am

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