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Der Frauenjäger

Der Frauenjäger

Titel: Der Frauenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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halb auf dem Steinboden lag und den Ellbogen mit der linken Hand hielt, ehe sie sich fragte, warum der Mistkerl nichts weiter tat, nachdem er die Tür aufgerissen und das Licht eingeschaltet hatte. Sie blinzelte widerstrebend in die Helligkeit, erwartete, ihn hochaufgerichtet vor sich zu sehen. Vielleicht ein Grinsen im Gesicht, vielleicht ein Messer, einen Knüppel oder sonst etwas in der Hand. Doch da war niemand.
    Wieder brauchte sie eine Weile, um ihre Verblüffung zu verarbeiten. Dann langte sie vorsichtig zurück auf die Stufen und griff nach ihren Stiefeletten. Eine kippte um, weil Ringfinger und kleiner Finger der rechten Hand durch die erneute Prellung des Ellbogens vollkommen taub geworden waren. Das kostbare Nass rann die vier Stufen hinunter. Schade drum. Jammerschade, wo es so viel Mühe gekostet hatte, das Wasser aus dem Kessel zu schöpfen. Die andere brachte sie samt Inhalt unbeschadet durch die Tür.
    Die war weder verschlossen noch verriegelt gewesen, klemmte nur, wie sie feststellte, als sie sich aufrichtete und die Tür hinter sich zudrückte. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen das Holz, hielt ihren verletzten Ellbogen und wartete ab, ob der Mistkerl nicht doch noch zum Vorschein kam.

18.   Januar 2010 – Montagmorgen
    Beim Frühstück versuchte Johanna noch einmal, Werner umzustimmen. Sie führte an, dass Julia ein Riesenproblem habe und den Beistand ihrer Freundinnen brauche – beider Freundinnenwohlgemerkt. Bisher hatten sie immer alles zu dritt gemacht.
    Als das nichts half, weil Werner meinte, sie könnten auch weiterhin den ganzen Tag alles zu dritt machen, aber nachts habe sie zu Hause zu sein, berief Johanna sich auf die Schule. Angeblich standen für die Woche zwei wichtige Klausuren an, auch deshalb sei es wichtig, ebenfalls bei Kirsten schlafen zu dürfen. Da könnten sie zu dritt noch in den Betten lernen. Lektionen, die man unmittelbar vor dem Einschlafen noch einmal durchginge, säßen unwiderruflich, behauptete sie.
    Marlene tat sie leid, Werner blieb hart. «Du kannst deine Lektionen auch alleine durchgehen, wenn du im Bett liegst. Und zwar in deinem Bett! Ende der Diskussion.»
    «Du bist so gemein.» Das letzte Wort ließ Johanna sich nicht verbieten, fehlte nur, dass sie mit einem Fuß aufstampfte.
    Um halb acht verließ Werner das Haus mit seinem Rollkoffer. Marlene bekam einen langen Kuss zum Abschied und das Versprechen, sich so oft wie möglich zu melden. Feste Zeiten konnte er nicht nennen, was letztlich bedeutete, dass sie nicht aus dem Haus gehen durfte, wenn sie seine Anrufe nicht verpassen wollte.
    Johanna sagte ihm nicht mal auf Wiedersehen, holte ihre Schultasche und machte sich alleine auf den Weg.
    Leonard hatte noch etwas Zeit, die beiden Busse nach Tirol sollten erst um neun abfahren. Eine Viertelstunde vorher sollten sich die Schüler und Schülerinnen beim Gymnasium einfinden. Das verschaffte Marlene die Zeit, rasch zu duschen und sich zurechtzumachen, ehe sie aufbrechen mussten.
    Leonards Gepäck bestand aus einem Rucksack, in dem er sein Waschzeug und den Reiseproviant verstaut hatte, und seiner prall mit Kleidung gefüllten Sporttasche. Skiausrüstungen sollten vor Ort gemietet werden, sonst hätte man noch einen dritten Bus mieten müssen. Marlene vergewisserte sich, dass ergenug Geld dabeihatte, und holte noch zwei von seinen Freunden ab, deren Eltern nicht die Zeit hatten, Taxi zu spielen.
    Die beiden Reisebusse trafen mit Verspätung am Gymnasium ein. Ehe alle Gepäckstücke verladen waren und alle einen Platz ergattert hatten, verging noch eine halbe Stunde. Aber endlich setzte sich der Treck in Bewegung. Wie einige andere Mütter und zwei Väter winkte Marlene den Bussen nach, obwohl vermutlich keiner der Insassen noch etwas davon sah. Die waren alle vollauf mit ihrer Vorfreude beschäftigt.
    Bei der Rückfahrt graute Marlene ein wenig vor dem Nachmittag, wenn Johanna aus der Schule kam. Es war anzunehmen, dass ihre Tochter sich sofort daranmachte, das zu tun, was Werner ihr gestern untersagt hatte. Man musste ja nicht unbedingt betteln oder zetern, es gab andere Methoden, die viel mehr Wirkung zeigten. Schweigen zum Beispiel. Oder das, was nicht wortwörtlich verboten war, bis auf die letzte Sekunde ausreizen. Wie sie mit einer Siebzehnjährigen umgehen sollte, die sie wie Luft behandelte und vermutlich nur zum Schlafen nach Hause kam, wusste Marlene nicht und fand auch nicht die Zeit, großartig darüber nachzudenken und sich eine Strategie

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